Tesarenland (German Edition)
fest gegen meinen Körper, damit sie nicht sehen muss, was da vor uns auf dem Boden liegt. Ich bin noch immer wütend auf Luca. Und ich bin entsetzt darüber, was er fähig ist zu tun. Er hat einfach einen Tesar getötet. In meinen Augen ist es so, als würde er einen Menschen ermordet haben. Mögen die Tesare nicht die nettesten Kreaturen der Welt sein, aber sie sind denkende und intelligente Kreaturen. Man tötet nur, was man essen will. Und einen Tesar esse ich bestimmt nicht.
Ich schiebe mich mit Kayla an dem Körper vorbei. Sie reißt sich los und schlägt nach mir. »Ich bin kein Baby mehr. Das ist doch nur ein blöder Tesar«, sagt sie und tritt mit dem Fuß gegen den Kopf des Aliens.
»Kayla !«, rufe ich entrüstet aus.
Sie sieht mich zornig an und tritt noch einmal zu. »Nur ein Tesar«, sagt sie jetzt leiser, dann fängt sie an zu schluchzen und wirft sich wieder in meine Arme. »Sie werden sie töten. Sie jagen Mutter und töten sie.«
Ich streichle über ihren Rücken. »Ich weiß«, flüstere ich. Tränen brennen mir in den Augen. »Ich weiß.«
Kayla löst sich von mir. »Wenn wir Mutter schon nicht helfen können …« Sie sieht zu Luca, dann wieder zu mir. »Es war richtig, was Luca getan hat. Der hier kann Mutter nicht mehr wehtun. Wir sollten sie alle töten .«
Ich zucke zusammen bei den harten Worten meiner kleinen Schwester. Ich verstehe ihre Wut, aber noch sträube ich mich, mich auf eine Stufe mit den Tesaren niederzulassen. Ich kann nicht so sein wie sie. Auch ich hasse sie. Die Vorstellung, wie sie Mutter irgendwo aussetzen, sie Jagen wie ein Tier, um sie dann auf grauenvolle Weise zu töten …
Mein Blick wandert zu dem Leichnam. Für einen Wimpernschlag sieht es so aus, als würde Mutter dort liegen. Mir wird übel und ich greife nach Kaylas Hand und stürme weiter in den Gang hinein. Ich will fort von hier.
»Hauen wir hier ab«, sage ich über meine Schulter hinweg zu Luca. Lieber möchte ich für Stunden durch Schnee und Dreck robben, als länger darüber nachdenken zu müssen, was mit Mutter passieren wird. Ich beschließe für mich, davon auszugehen, dass sie schon vor Monaten gestorben ist. Dass wir sie vorhin gesehen haben, und dass wir wissen, was mit ihr geschehen wird, spielt keine Rolle mehr. Für mich ist sie im Sommer gestorben. Ich muss das einfach tun, damit ich nicht mehr daran denken muss, was man ihr antun wird, damit ich mich auf Kayla konzentrieren kann.
»Warte !« Kayla stemmt ihre Füße in den Boden und versucht mich, zurückzuhalten.
Wütend bleibe ich stehen. »Was denn?«
»Der Speer! Wir sollten ihn mitnehmen. Nur für den Fall. Vielleicht können wir ihn ja brauchen.«
Luca lacht. »Gute Idee, Kleine. Aber er wird uns nichts nützen. Die Teile sind an die DNA der Tesare gekoppelt.«
»An die was ?«, fahre ich Luca an.
»Was ist ein DN- Digsda?«, hakt Kayla nach und sieht Luca entgeistert an. Ihr Gesicht ist blass und die rot geränderten Augen fallen auf der weißen Haut noch mehr auf. Ich streiche über ihre eingefallene Wange. Es schmerzt mich, wie schlecht sie aussieht. Aber sie wirkt nicht erschöpft. Wo sie die Kraft nur hernimmt? Meine Schwester ist willensstärker, als ich es bin. Ich bewundere sie.
»DNA.« Luca scheint nachzudenken. »Das ist jetzt zu kompliziert .« Er pustet frustriert eine Strähne aus seinem Gesicht. »Es funktioniert nur, wenn ein Tesar den Speer berührt. Das ist mit fast allen Tesarengegenständen so.«
Luca geht voran durch den Gang, um eine Ecke, dann bleibt er vor einer runden verrosteten Metallscheibe stehen. »Na geht doch«, sagt er und lächelt Kayla geheimnisvoll an.
»Was ist das«, will ich wissen. Gesehen habe ich diese Dinger schon in der Stadt. Aber ich habe mich noch nicht mit ihnen beschäftigt. Sie sahen mir nicht besonders wichtig aus.
Luca schiebt sein Messer in den Rand und drückt und ächzt. »Ein Kanaldeckel. Der führt in die Abwasserkanäle .« Der Deckel gibt nach und Luca krallt seine Finger unter den Rand. Mit einem lauten Scheppern zieht er die Metallscheibe weg und lässt sie neben sich fallen. Ein schwarzes Loch kommt zum Vorschein. Er zeigt auf eine Leiter, die in die Tiefe führt. »Dort geht’s runter. Die Kanäle gehen unter der ganzen Stadt lang. So sollten wir es ziemlich schnell zum Treffpunkt schaffen.«
Luca klettert zuerst nach unten. Kayla folgt ihm. Als sie zu mir aufschaut, sehe ich, dass etwas verkrustetes Blut unter ihrer Nase klebt. Hatte sie Nasenbluten? Wenn,
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