Tesarenland (German Edition)
dann war es nur wenig.
Ich folge den beiden in die Tiefe. Es stinkt hier unten nach verwesendem Karamwasser. Die Luft ist feucht und kalt und ich kann kaum etwas sehen. Umso weiter wir uns von dem Loch über uns entfernen, umso dunkler wird es. Schon bald kann ich gar nichts sehen. Ich stoße mit Luca zusammen, der neben der Leiter stehen geblieben ist. Etwas klappert in der Nähe, dann flammt ein Licht auf.
»Habe ich im Haus von William entdeckt. Schütteln, dann leuchtet sie für einen Moment.«
»Was ist das ?« Kayla betrachtet die kleine Lampe in Lucas Hand.
»Eine Taschenlampe. Sie braucht keinen Strom. Der wird durch das Schütteln erzeugt .«
Kayla nimmt Luca die Lampe aus der Hand und schüttelt sie. Wieder klappert es, dann wird das Licht etwa s heller. Ich sehe mich hier unten um. Es stinkt nicht nur, wir scheinen im Dreck zu waten. Der ganze Boden ist von einer schmierigen schwarzen Masse bedeckt. Die Tesare scheinen ihre Behälter hier zu entleeren.
Luca hat zwischenzeitlich die Karte aus seiner Tasche gekramt, die ich aus dem Polizeiauto mitgenommen habe. »Wir sind hier. Die Abwasserkanäle laufen unter den Straßen entlang. Wenn wir uns in die Richtung bewegen, sollten wir es zum Treffpunkt schaffen. Leider weiß ich nicht, ob wir es rechtzeitig schaffen .«
Schaffen wir es nicht, dann ist es auch egal. Es erscheint mir nicht mehr wichtig. Dann sehe ich Kayla und bereue meine Gedanken sofort. Es ist wichtig. Ich darf Kayla nicht auch noch verlieren.
Wir matschen uns durch die stinkende Dunkelheit, einzige Orientierung Lucas Taschenlampe, die er alle paar Schritte geräuschvoll schüttelt. Ein paar Mal muss ich Kayla halten, weil sie auf dem schlierigen Untergrund ausrutscht. Ich gehe so vorsichtig wie möglich, denn was ich absolut nicht riskieren will, ist mit dem Gesicht voran in diesen Brei zu fallen. Die Vorstellung allein reicht aus, um ein heftiges Schütteln durch meinen Körper zu jagen.
»Warst du in einer Schule?« Kayla schaut mit gerunzelter Stirn zu Luca auf.
»So etwas in der Art. Wir haben im Bunker Unterricht bekommen. Und wenn wir nicht gerade Kampftraining hatten, dann war es ziemlich langweilig, weißt du. Also hab ich viel gelesen. Wir haben eine Menge Bücher. Die finden wir auf unseren Streifzügen durch die alten Städte und nehmen sie einfach mit. Mein Onkel sagt immer, man kann nicht genug lernen, um nicht zu vergessen, wer wir vor den Tesaren waren.«
»Ich denke, er hat recht .« Kayla schiebt ihre Hand in Lucas und nickt. »Ich werde euren Unterricht auch besuchen.«
Ich muss mich zusammennehmen, um nicht loszulachen. Erleichtert und erstaunt darüber, dass sie alles so viel besser erträgt als ich, denke ich, dass es vielleicht wirklich so sein könnte – wir könnten bald lernen, so wie die Kinder früher.
Vielleicht werde ich eines Tages auch Bücher lesen können, und dann wäre ich genauso schlau wie Luca. Auch wenn ich es ungerne zugebe, ich bin neidisch auf all das Wissen. Ohne Luca wären wir nie soweit gekommen. Ohne Luca wäre Kayla jetzt vielleicht schon tot. Ich verdränge die aufsteigenden Bilder sofort. Auch die vom toten Tesar. Luca hat getötet. Aber er hat es getan, um uns zu retten. Vermutlich war es die einzige Möglichkeit, uns zu befreien, aber es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass Luca zu so Grausigem fähig ist. Ich dachte immer, nur die Tesare wären fähig zu töten. Zum ersten Mal habe ich es heute einen Menschen tun sehen. Noch dazu einen, der mir nahe steht.
14. Kapitel
Es ist dunkel, als wir die Kanalisation verlassen. Bis zum Treffpunkt sind es nur noch wenige Meter eine Straße entlang, die schon lange verlassen aussieht. Die Häuser hier sind in der Dunkelheit kaum auszumachen. Nur die leeren Fenster sind noch schwärzer als die Nacht. Über unseren Köpfen kann man die Sterne sehen. Das riesige Raumschiff der Tesare reicht also nicht bis hier her. Die Autos, die hier stehen, werden nur noch vom Rost zusammengehalten. Wie Skelette wirken sie in der Finsternis. Der Fußweg und selbst das Mauerwerk der Häuser sind von verrotteten Pflanzen überwuchert. Nur die Straße ist frei von Unrat und Unkraut. Ein deutliches Zeichen, dass die Tesare sie noch benutzen und von den Menschen warten lassen.
Als wir auf freies Feld kommen, steigt Luca mit uns eine Böschung hinunter, damit man uns nicht so schnell entdeckt. Der Weg ist beschwerlich, aber nachdem, was wir heute schon erlebt haben, möchte ich nicht
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