Tesarenland (German Edition)
habe ich es versaut. Nach all den Lektionen habe ich meinen Vater umgebracht.« Luca ballt seine Hände zu Fäusten. In seiner Stimme schwingt ein wütendes Knurren mit. Ich glaube, er gibt sich wirklich die Schuld am Tod seines Vaters. Im Licht der Flammen kann ich die Tränen in seinen Augen sehen. Seine Wange zuckt und er beißt fest seine Kiefer zusammen. Ich glaube, er versucht verzweifelt, nicht zu weinen.
»Was ist passiert ?« Ich frage nicht nach, weil ich hören will, ob er schuldig ist, sondern weil ich ihm zeigen will, dass er es nicht ist. Ich will ihm einfach nur helfen, so wie er uns geholfen hat.
»Wir sind gefangen genommen worden, weil ich den Befehl meines Vaters missachtet habe. Dabei habe ich gelernt, Befehle immer zu befolgen .« Luca rückt von mir ab und sieht mir in die Augen. »Ich werde nie wieder einen Befehl missachten.«
Etwas liegt in seinem Blick, vielleicht liegt es auch an der Art, wie er es gesagt hat, aber ich bekomme den Eindruck, er meint mich damit. Ich sehe verlegen weg und frage ihn angelegentlich: »Was für ein Befehl ?«
Luca nippt an seinem Tee und starrt wieder in die Flammen. Die klare Flüssigkeit in dem Metalltopf zischt leise vor sich hin, sie riecht leicht süßlich, gar nicht unangenehm.
»Wir waren in der Tesarenstadt. Es waren nur noch wenige Straßen bis zu unserem Ziel, da kommt eine Frau auf uns zugerannt. Mein Vater hat mich in einen Hauseingang gezogen, doch die Frau hatte uns schon gesehen. Sie lief genau auf uns zu, warf sich vor uns auf den Boden, ihr Gesicht war total verheult. Sie hat meinen Vater angefleht, ihr zu helfen. Die Tesare wären hinter ihr her. Mein Vater hat sie weggeschickt, doch sie hat nicht reagiert, sondern hat sich an seine Stiefel geklammert. Er hat sie weggestoßen, sie fiel und robbte wieder auf ihn zu. Ich habe ihn gebeten, ihr zu helfen. Aber er wollte nicht. Die Mission geht immer vor, hat er gesagt. Dann kamen zwei Tesare um die Ecke, sie haben ihre Speere auf die Frau gerichtet. Ich konnte nicht anders, ich hab ihr aufgeholfen und bin mit ihr losgerannt. Mein Vater uns hinterher. Er hat mich in eine Gasse gestoßen und mir befohlen, sie den Tesaren auszuliefern. Ich hab das nicht fertiggebracht und habe versucht die Tesare anzugreifen, um die Frau zu schützen.« Luca schnaubt verächtlich. »Den Rest kennst du.«
Das schmerzvolle Geständnis lässt mich die Augen kurz schließen. Jetzt verstehe ich seine Wut auf sich selbst. Er war schuld an ihrer Gefangenschaft und am Tod seines Vaters. Ich möchte ihm sagen, dass er nichts dafürkann, aber das würde nichts ändern, weil er schuld ist, auch wenn ich verstehe, warum er so gehandelt hat. Wenn ich mutig genug gewesen wäre, hätte ich genauso gehandelt. Wenn diese Frau Kayla gewesen wäre, hätte ich niemals gezögert, da bin ich sicher. Ich habe Luca in den letzten Tagen kennengelernt, und ich weiß, er wäre nie fähig gewesen, jemanden die Hilfe zu verweigern, die er braucht.
»Du bist nicht schuld«, sage ich. »Die Tesare sind schuld. Sie haben deinen Vater getötet, nicht du.«
Luca schaut nicht auf zu mir. Er starrt einfach weiter vor sich hin. Ich hoffe, er denkt über das nach, was ich ihm gesagt habe. Ich könnte nicht ertragen, wenn er ewig glauben würde, dass er seinen Vater getötet hat. Aber ich bezweifle, dass meine Worte ihn vom Gegenteil überzeugen können. Er wird selbst zu der Erkenntnis kommen müssen. Irgendwann wird er es begreifen.
»Brenna ?«, sagt Luca nach einer Weile. Er setzt sich so auf das Bett, dass er sich mir zuwenden kann. »Ich muss dir etwas sagen.« Ich kann sehen, wie er schwer schluckt, er schließt seine Lider einen Moment, dann schaut er mich ernst an. Er fährt sich mehrmals mit der Hand durch sein Haar, und ich weiß, was er mir zu sagen hat, wird mir nicht gefallen.
Die Tasse Tee in meinen Händen fühlt sich plötzlich zu schwer an. Ich stelle sie auf den wackeligen kleinen Tisch direkt vor uns. Kayla hustet im Schlaf und ich will schon aufstehen, weil mir meine innere Stimme zuflüstert, was Luca mir sagen will, will ich nicht hören.
»Hat es etwas mit dem zu tun, weswegen Roland Kayla und mich weggeschickt hat, Feuerholz holen, das wir doch nicht gebraucht haben?«
Luca nickt. Es überrascht mich wenig, denn ich habe in ihren Gesichtern gesehen, dass ihr Gespräch nichts Gutes zu bedeuten hatte.
»Ich habe dir gerade erklärt, dass ich einen Befehl nie wieder verweigern werde, nicht wahr?« Er schaut mich ernst an
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