Tessa
sie sich plötzlich unnatürlich vor. Sie legt sich schnell wieder hin. Breitet ihre Haare aus. Versucht einen entspannten Gesichtsausdruck anzunehmen.
Nick betritt die Wohnung. »Hallo?«
Sie ist still, antwortet nicht. Was soll sie auch sagen? Nick betritt das Wohnzimmer.
»Warum liegst du denn so im Dunkeln?« Er macht das Licht an.
Sie hebt schützend den Arm vor ihre Augen und nimmt einen weiteren Zug von der filterlosen Zigarette, erneut muss sie husten. Dann blickt sie zu ihm auf, immer noch still. Nick starrt sie mit einem erschrockenen Ausdruck an. Er will auf sie zukommen. Sie hebt die Hände abwehrend und er hält inne, bückt sich zu ihr auf den Boden. »Alles gut, ich bin nur vom Fahrrad gefallen«, sagt sie matt. Er will was sagen, öffnet den Mund, aber bleibt stumm. Die Stille ist am wenigsten zu ertragen. Sie steht auf, dabei wankt sie und verliert das Gleichgewicht, sie fällt zur Seite. Nick springt auf, fängt sie, doch sie schüttelt ihn ab und faucht: »Lass mich, ich schaff das alleine.«
Sie will ins Bad, ihr ist schlecht. Sie geht an ihm vorbei, mit großem Abstand, um ihn bloß nicht zu berühren, doch auch er macht keine Anstalten. Nur sein Blick folgt ihr.
»Scheiße, deine Beine. Tessa, was ist passiert? Bist du dir sicher, dass alles okay ist?«
Im Flur bleibt sie vor dem großen Spiegel stehen, und selbst im Dunkeln kann sie erkennen, dass die Rückseiten ihrer Beine voller Blutergüsse sind. Der Rock und das Oberteil sind dreckig, das Mascara hat sich bis auf ihre Wangen verteilt. Leer begegnet sie ihrem Blick im Spiegel. Sie muss nur erst den Dreck von sich waschen. Sie schließt die Badezimmertür hinter sich ab, zieht ihr Oberteil aus, öffnet den Rock, lässt ihn fallen und steigt aus ihm heraus. Während sie die Unterhose die Oberschenkel hinunterstreift, spürt sie die Nässe einen Film ziehen. Die Unterhose ist feucht vom Sperma, und sie fängt an zu würgen. Sie schafft es noch, den Klodeckel hochzureißen, und erbricht wässrige Kotze. Schwer atmend bleibt sie neben der Toilette auf dem Boden sitzen. Sie lehnt ihren Kopf an die kalten Kacheln und schließt für einen Moment die Augen, sie will verschwinden. Sie greift nach der Unterhose und nimmt Toilettenpapier, viel, und umwickelt sie immer und wieder damit. Anschließend schmeißt sie den Klumpen in den überfüllten Eimer, muss ihn tief stopfen. Sie stellt die Dusche an. Unter dem heißen Wasser versucht sie die Tat abzuwaschen, versucht sich die blauen Flecken wegzuwaschen. In ihren Bademantel gewickelt, schwankt sie ins Bett, mummelt sich tief unter ihre Decke und schließt die Augen.
Sie erwacht mit großem Durst. Tessa öffnet die Augen. Sie ist nass geschwitzt, ihr Hals tut weh, und sie spürt einen Druck im Unterleib. Als sie ihren Kopf zur Seite dreht, durchzuckt sie ein stechender Kopfschmerz. Sie liegt allein in ihrem Bett. Wo ist Nick? Sie versucht sich zu erinnern. Haben sie sich gestritten? Vorsichtig tastet sie ihre untere Bauchdecke ab und verzieht vor Schmerz ihr Gesicht. Fetzen der Nacht fallen ihr wieder ein. Das Gewicht des Barmanns auf ihr. Sie schließt die Augen und rollt sich zur Seite, hält dabei ihren schmerzenden Kopf. Sein verzerrter Blick. Sie verkriecht sich unter der Decke. Sein Atmen. Sie öffnet ihre Augen wieder und versucht mit der Decke die Erinnerung zur Seite zu schieben. Überlegen, sie muss jetzt nachdenken. Wo ist Nick? Bevor sie eingeschlafen ist, hat sie ihn doch noch gesehen. Er war hier. Warum liegt er dann nicht neben ihr? Sie muss etwas trinken, ihr Körper schreit nach Flüssigkeit. Vorsichtig steigt sie aus dem Bett. Als sie aufrecht steht, wankt sie ein wenig zur Seite, merkt, wie betrunken sie noch ist. Langsam geht sie in die Küche und hofft auf den Eistee, der seit Wochen in ihrem Kühlschrank steht. Das Summen des Kühlschranks beherrscht den Raum. Bitte, bitte, lass es den Eistee noch geben. Das Öffnen der Kühlschranktür, das schmatzende Geräusch, als sich die Dichtung löst. Der leere Kühlschrankraum starrt sie vorwurfsvoll an. Enttäuschung macht sich in ihr breit. Sie schmeißt die Kühlschranktür wieder zu. Einen Moment steht sie unschlüssig rum. Dann spürt sie ihren Durst wieder. Sie geht zur Spüle und dreht den Wasserhahn voll auf, lässt das Wasser laufen, wartet, bis es kalt ist. Kein sauberes Glas in ihrem Küchenschrank. Sie schnappt sich ein schon benutztes, das neben dem restlichen ungewaschenen Geschirr in der Spüle steht, wäscht es
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