Tessy 02: Tessy und die Lust des Mörders
Und du kannst davon ausgehen, dass er keine Spuren hinterlassen hat…“
„Der Film beweist aber, was da passiert ist“, widersprach Tessy. „Diese Spur kann er nicht auslöschen.“
Oliver lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Der Film bewies auch seine unrühmliche Rolle.
„Du musst was unternehmen – die Geschichte wird dich ein Leben lang verfolgen“, beharrte sie eindringlich. Und Brandner auch, fügte sie in Gedanken hinzu.
„Ich kann nicht. Außerdem macht es Lilly nicht wieder lebendig.“
Tessy beugte sich vor. „Wenn Brandner so dermaßen gefährlich ist und du die Hosen so voll hast, warum hast du es dann trotzdem gewagt, ihn zu erpressen? Warum bist ein solches Risiko eingegangen?“
„Er hat mich nicht erwischt – weder beim ersten noch beim zweiten Mal, oder?“ Das klang nahezu triumphierend, und in seinen Augen blitzte es auf.
Tessy verzog keine Miene. Ein durchgeknallter Spieler geht jedes Wagnis ein, dachte sie. Immerhin sitze ich hier, und du erzählst mir, was du angestellt hast.
„Außerdem… ja, er sollte zumindest zahlen und mir einen Gläubiger vom Hals schaffen oder auch zwei – wenigstens das!“, fügte er trotzig hinzu.
„Super“, kommentierte Tessy in ironischem Ton. Dann tippte sie sich an die Stirn. „Du machst aus dem Tod deiner Schwester auch noch ein Geschäft, ist dir das nicht klar? Willst du darauf auch noch stolz sein?“
Wieder herrschte tiefes Schweigen. „Ich war mein Leben lang ein Verlierer und Versager“, hob Oliver schließlich unvermittelt an. „Außerdem habe ich wahnsinnige Angst. Wenn ich zur Polizei gehe, und er kann sich aus der Sache herauswinden oder einen Prozess auch nur verzögern, was trotz der Aufnahmen nicht unwahrscheinlich ist, bin ich dran – der Typ killt mich beziehungsweise lässt mich killen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Und eine Aussage vor Gericht … das krieg ich nicht hin, wirklich nicht.“
Leider war die Einschätzung durchaus realistisch, das wusste Tessy. Brandner hatte sie, eine kleine, stets allein arbeitende und noch relativ unerfahrene Detektivin, mit einem fingierten Sexfilm verarscht, um dem Erpresser auf die Spur zu kommen, und wenn sie ihren Job richtig gemacht hätte, wäre Oliver längst in seiner Gewalt. Niemand hätte sich großartig gewundert, wenn auch Lillys Bruder in der Versenkung verschwunden wäre – und selbst wenn… An Olivers Stelle hätte sie auch Angst.
„Na schön“, sagte sie leise und trank ihren Tee aus. „Aber irgendwas müssen wir trotzdem tun.“ Sie stand auf. „Das kann man nicht so stehen lassen. Und noch was: Brandner wird nicht eher ruhen, bis er dich erwischt hat, darauf kannst du Gift nehmen.“
Er blickte erschrocken zu ihr auf. „Wo willst du hin?“
„Nach Hause und nachdenken. Hast du eine Handynummer, unter der ich dich erreichen kann?“
„Ja, klar, aber…“
„Ich unternehme nichts, ohne es mit dir besprochen zu haben, okay?“, versprach sie halbherzig, nachdem Oliver ihr die Nummer diktiert hatte. „Hast du mal darüber nachgedacht, woanders ein ganz neues Leben zu beginnen?“
Er schüttelte verwirrt den Kopf.
„Ach, bevor ich es vergesse“, hob sie, schon in der Tür stehend, noch einmal an. „Woher wusstest du eigentlich Brandners Namen? Er wird sich doch wohl kaum bei deiner Schwester vorgestellt haben.“
„Natürlich nicht. Einer der Wagen trug den Aufkleber seiner Firma. Ich hab dann ein bisschen im Internet recherchiert und ihn wiedererkannt… Seine Kumpels kenne ich allerdings nicht.“
Erst als Tessy die Turmstraße in Richtung U-Bahn herunterlief, wurde ihr bewusst, dass auch sie sich auf ein gefährliches Spiel eingelassen hatte und jeden ihrer Schritte sorgfältig überlegen sollte.
Sechstes Kapitel
Hanter wirkte alles andere als begeistert, aber Carola Stein bestand trotzdem darauf, dass er sich die Liste der Grundstückseigentümer genauer ansah, nachdem sie ihm mit wenigen Sätzen erläutert hatte, worum es ging. Mit dem Zeigefinger fuhr er die sechs Namen entlang und stutzte plötzlich.
„Der kommt mir irgendwie bekannt vor“, meinte er nachdenklich.
Carola Stein blickte auf den Namen. Hugo Brandner. Ihm gehörte eine alte Fabrikhalle in der Nähe der Landsberger Allee. Sie las laut: „Unternehmer, verdient sein Geld mit dem Verleih von Luxuslimousinen und…“
„Richtig!“ Dirk schlug sich vor die
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