Test: Phantastische Erzahlungen
beschäf igt hatte. Als er den Radiographen erblickte, den er aus der Kassette herausgenommen hatte, f el ihm die ganze Geschichte wieder ein, und er zuckte zusammen. Kurz darauf geriet ihm ein Zettel in die Finger. Ihm entnahm er, daß im letzten Laderaum, dessen Boden an die Atomsäule grenzte, achtundvierzig Kisten mit Lebensmitteln lagerten. »Leicht verderbliche Lebensmittel« stand da geschrieben. Weshalb haben sie das Zeug ausgerechnet dort untergebracht, wo die Temperaturen bei laufenden Motoren am höchsten sind und wo es kaum Frischluf gibt? fragte er sich. Ist das Absicht? Soll es verderben?
Es klopf e.
»Bitte!« sagte er, eiligst bemüht, die Papiere zu ordnen und wegzuschließen. Zwei Männer traten ein, blieben auf der Schwelle stehen.
»Boman, Nukleoniker.«
»Sims, Elektriker.«
Pirx stand auf. Sims war jung, hager, die emsig hin und her huschenden Äuglein erinnerten an ein Eichkätzchen. Er hustete. In Boman erkannte Pirx auf den ersten Blick den Veteranen. Sein Teint war braun – braun mit einem charakteristischen Stich ins Orangefarbene. Es waren die Spuren kosmischer Strahlen – kleiner Mengen, die sich im Laufe der Jahre summiert hatten. Boman reichte Pirx kaum bis zu den Schultern. Damals, als er zu f iegen begann, zählte noch jedes Kilo Gewicht an Bord. Obwohl er mager war, wirkte sein Gesicht gedunsen. Dunkle Säcke lagen unter seinen Augen – stumme Zeugen der Belastungen, denen der Organismus ausgesetzt gewesen war. Die Unterlippe verdeckte die Zähne nicht.
So werde ich auch mal aussehen, dachte Pirx, während er mit ausgestreckter Hand auf ihn zuging.
II
Die Hölle begann um neun. Auf dem Startplatz herrschte das übliche Treiben. Die Raumschif e standen in langen Reihen bereit, alle sechs Minuten belferten die Lautsprecher, Warnraketen wurden abgeschossen, Triebwerke dröhnten, brüllten, donnerten im Probelauf. Ein Schif startete nach dem anderen, jedesmal regnete es Staubkaskaden vom Himmel. Kaum hatte sich der Schmutz gesetzt, da kam von dem kleinen Turm schon das Signal »Freie Bahn!« für den nächsten Piloten. Alle hatten es eilig, jeder wollte ein paar Minuten gewinnen – so war es in den Spitzenzeiten auf allen Güterumschlaghäfen. Fast jedes Schif f og zum Mars, die Menschen dort baten verzweifelt um Maschinen und Grünzeug, sie bekamen of monatelang kein Frischgemüse zu sehen, denn die hydroponischen Solarien waren erst im Bau.
Kräne wurden verladen, Betonmischmaschinen, Elemente von Gitterkonstruktionen, Glaswatte in großen Ballen, Medikamente, Behälter mit Zement und Rohöl. Jedesmal, wenn ein Warnzeichen ertönte, gingen die Arbeiter in Deckung. Sie sprangen in die Strahlungsschutzgräben, in gepanzerte Zugmaschinen – und kaum war alles vorbei, da nahmen sie ihre Tätigkeit wieder auf, auch wenn der Betonboden noch nicht abgekühlt war. Um zehn, als sich die Sonne über dem Horizont zeigte, rot, rauchverhangen und eigenartig gedunsen, waren die Betonschutzwälle zwischen den Startrampen rissig, rußbedeckt und vom Feuer zerfressen. Die Schäden wurden rasch mit schnelltrocknendem Zement ausgebessert, der wie Schlammfontänen aus den Schläuchen quoll. Die Männer der Strahlungsbekämpfung sprangen in ihren Skaphandern aus den Spezialfahrzeugen und rieben den Boden mit Sandstrahlgebläsen ab, Sirenengeheul ertönte, schwarz-rote Kontrollwägelchen, schachbrettartig bemalt, rasten in alle Winde auseinander. Im Kommandoturm schrie sich jemand heiser, oben kreisten wie große Bumerangs die Radargeräte – kurz, alles war so wie immer.
Pirx war überall. Er nahm Frischf eisch in Empfang, das im letzten Augenblick angeliefert wurde, tankte Trinkwasser und überprüf e die Kühlaggregate – die Mindesttemperatur betrug minus fünf Grad, der Kontrolleur wackelte bedenklich mit dem Kopf, aber er ließ sich erweichen und unterschrieb. Bei der Probe begannen die Kompressoren an den Ventilen zu schwitzen, Pirx’ Stimme tönte wie die Posaunen von Jericho. Zu allem Überf uß stellte sich heraus, daß die Wasserlast schlecht verteilt war, irgendein Schwachkopf hatte das Ventil herumgeworfen, bevor sich die Bodenbassins gefüllt hatten. Pirx unterzeichnete Papiere, man drückte ihm gleich fünf auf einmal in die Hand, er wußte gar nicht mehr, was er da unterschrieb.
Um elf, eine Stunde vor dem Start, geschah es. Die Flughafenbehörde erlaubte den Start nicht – das Düsensystem sei zu alt, der radioaktive Niederschlag zu
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