Test: Phantastische Erzahlungen
auf, schleuderte den Zement an die Wand und trommelte so ungestüm, daß es nur so dröhnte.
»S-i-m-o-n-b-i-s-t-d-u-e-s – W-e-r-s-p-r-i-c-h-t-w-e-rs-p-r-i-c-h-t …«
Er duckte sich, zog den Kopf ein, es hagelte Schläge.
»W-e-r-s-p-r-a-c-h-a-n-t-w-o-r-t-e-w-e-r-s-p-r-a-c-h-we-r-s-p-r-a-c-h-w-e-r-s-p-r-a-c-h-h-i-e-r-s-i-m-o-n-hi-e-rw-a-y-n-e-a-n-t-w-o-r-t-e …«
»Hör auf, Terminus!« schrie Pirx. »Hör auf, hör auf!«
Der Lärm verstummte. Terminus richtete sich auf. Alles an ihm zuckte – die Schultern, die Arme, die Hände, der Rumpf. Ein teuf ischer Schluckauf erschütterte den Roboter, ein Krampf, den Pirx entschlüsselte: »W-e-r-s-p-r-i-ch-t – w-e-r – w-e-r …«
»Hör auf!« rief Pirx ein zweites Mal. Terminus hatte ihm die Seite zugewandt, sein schwerer Leib bebte noch immer im Rhythmus der Morsezeichen. Pirx las es an den Lichtref exen ab, die auf dem Metall tanzten.
»W-e-r …«
Das Gewitter hatte sich ausgetobt. Terminus schien erschöpf , er rührte sich nicht mehr. Als er davonging, stieß er gegen ein Rohr und blieb daran hängen – es gab ein durchdringendes Geräusch. Der Roboter stand regungslos da, wie gefangen. Pirx blickte genauer hin, er sah, daß die leblos herabhängende Hand kaum merklich zitterte.
»W-e-r …«
Wie er hinausfand, wußte er selber nicht. Draußen im Gang fauchten die Ventilatoren. Er schwamm vor sich hin, gegen den kühlen, trockenen Wind, der von den oberen Decks wehte. Leuchtende Kreise glitten ihm übers Gesicht, wenn er an den Lämpchen vorbeischwebte.
Die Kajütentür war nur halb geschlossen. Auf dem Schreibtisch brannte die Lampe. Flache Lichtkeile erhellten die Wände. Die Decke war dunkel.
Wer war das? grübelte er. Wer hat so gerufen? Simon? Wayne? Ach was, die sind längst tot … Tot seit neunzehn Jahren!
Wer sonst – Terminus? Der dichtet doch nur die Rohrleitungen ab … Pirx wußte genau, was er zu hören bekommen würde, wollte er ihn ausfragen: Irgendein Geschwätz über Röntgenstrahlen, über Durchlässigkeit, über Plomben … Er ahnte nicht einmal, daß der Rhythmus seiner Arbeit ein gespenstisches Echo war.
Eines war sicher: Das Aufnahme- und Wiedergabevermögen des Automaten war nicht tot, die Registrierung – falls es sich um Registrierung handelte – funktionierte. Wer diese Menschen auch immer sein mochten, deren Stim men, deren Klopfzeichen er hörte – man konnte mit ihnen sprechen. Nur Mut brauchte man, nur Mut …
Er stieß sich von der Decke ab und schwamm zur gegenüberliegenden Wand. Verdammte Schwerelosigkeit! Er fühlte in sich den Drang, mit kräf igen Schritten auf und ab zu gehen, sein eigenes Gewicht zu spüren, die Faust auf den Tisch zu schlagen! Dieser scheinbar so bequeme Zustand, in dem sich der Körper in einen immateriellen Schatten verwandelte, wirkte auf die Dauer wie ein Alpdruck. Alles, was man berührte, schwamm weg, zögernd, ohne jeden Halt – alles war wesenlos, war bloßer Schein, Traum …
Traum?
Moment mal … Wenn ich von jemandem träume und ihm Fragen stelle, dann kenne ich die Antwort nicht, solange er sie nicht ausspricht. Dennoch existiert dieser geträumte Mensch nicht außerhalb meines Gehirns, er ist nur isolierter Teil von ihm, zeitweilig. Jeder spaltet sich fast täglich, das heißt nachts, auf diese Weise – und verwandelt sich in Pseudopersönlichkeiten, die nur für den Augenblick geschaf en sind, für einen Traum. Es können erdachte Wesen sein – oder solche, die der Wirklichkeit entnommen sind. Träumen wir nicht manchmal von Toten? Führen wir mit ihnen nicht manchmal Gespräche?
Sie waren tot.
Sollte Terminus …
Pirx kreiste grübelnd in der Kajüte, er stieß sich von den harten Wänden ab, erreichte die Tür und starrte in den dunklen Gang. Ein schmaler Lichtstreif f el in die Finsternis.
Zurückkehren und – fragen?
Es muß eine physikalische Erscheinung sein, komplizierter als eine gewöhnliche Registrierung … Ein Roboter ist schließlich keine Einrichtung zum Fixieren von Lauten … In Terminus muß eine Aufnahme entstanden sein, verbunden mit einer anatomischen Veränderung … Ein Automat, den man – es mag ein wenig verrückt klingen –, den man nur zu fragen braucht, um alles von ihm zu erfahren: Simons, Nolans und Potters Schicksal – und auch den Grund für dieses unbegreif iche, entsetzliche Schweigen des Kommandanten …
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