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Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Titel: Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauritius Much
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Autos, an dem silbernen Mercedes vorbeizufahren. Ein Wagen nach dem anderen schert links aus und überholt sie. Kathrin bekommt Panik, sie muss hier raus. Es ist mitten in der Nacht, sie sitzt bei einem völlig Fremden im Auto, der Wagen steht auf der Autobahn entgegen der Fahrrichtung, und hinten brüllt ein Mädchen hysterisch rum.
    Langsam erholt sich Thorsten von seinem Schock. Er hat gar nicht gemerkt, dass der Motor abgestorben ist. Er startet den Wagen und versucht, den Mercedes zu wenden – auf einer spiegelglatten Autobahn mit jeder Menge Autos, die einen überholen wollen. Langsam stößt er zurück und schlägt das Lenkrad links ein, um den Standstreifen zum Umdrehen zu nutzen. Neben ihnen hupt ein vorbeifahrendes Auto.
    Gerade strahlt ihnen kein Scheinwerfer entgegen – das ist die Chance. Thorsten schlägt das Lenkrad ganz rechts ein und fährt vom Seitenstreifen los. Schon wieder bricht das Auto leicht hinten aus, doch Thorsten hat es unter Kontrolle. Einmal muss Thorsten noch zurückstoßen, dann geht’s endlich weiter. Geschafft. Langsam fährt Thorsten auf der rechten Spur weiter. Der Tacho zeigt 30 km/h.
    Kathrin hat sich gefangen und hat nur ein Ziel. »Ich will sofort aussteigen. Ich kriege hier Zustände.« Ernst schaut sie Thorsten an, der nickt nur. »Da vorne kommt eine Ausfahrt.« – »Ich will auch raus«, brüllt das Mädchen von hinten. Langsam verlässt der silberne Mercedes die Autobahn, auf dem Bremsstreifen fängt er leicht zu rutschen an. Aber Thorsten kann den Wagen abfangen.
    Direkt hinter der Autobahnausfahrt steht ein Burger King. »Lass uns bitte hier raus. Ich fahre mit diesem Auto ohne Winterreifen keinen Meter mehr mit.« Kathrins Stimme ist gefasst, aber unmissverständlich. Wie sie jetzt von hier weiterkommt, ist erst mal egal. Hauptsache, raus aus der Karre. Auf dem Parkplatz von Burger King stellt Thorsten den Wagen ab. Aufgeregt ruft Kathrin ihren Freund an. Dann ihre Eltern. Dann drei Freundinnen. Sie redet einfach drauflos. Irgendwie muss sie ihren Schock loswerden. Alle sagen ihr, dass sie das Richtige macht und mit dem Zug weiterfahren soll.
    Kathrin und das Mädchen von der Rückbank haben großes Glück. Hundert Meter neben dem Burger King ist ein Bahnhof. Natürlich nur eine Bimmelbahn, aber egal. Irgendwie werden sie es nach Düsseldorf schaffen. Thorsten kann die beiden verstehen. An ihrer Stelle würde er das Gleiche tun, sagt er. Er selbst wartet, bis der Winterdienst den Schnee von der Autobahn geräumt und Salz gestreut hat. Nach drei Stunden fährt er langsam weiter.
    Kathrin will Thorsten Geld für die Fahrt geben, doch der lehnt ab. Er hat den beiden Mädchen den ganzen Schlamassel mit den Sommerreifen eingebrockt, dafür müssen sie jetzt nichts zahlen. Dankbar gibt Kathrin ihm die Hand und wünscht ihm alles Gute. Die beiden Mädchen stapfen durch den Schnee zum Bahnhof. Thorsten tut Kathrin irgendwie leid. Klar ist er selber schuld, dass er die Reifen nicht gewechselt hat. Aber jetzt steht er ganz alleine da. Aber trotzdem, da kann sie nicht mehr mitfahren. Im Winter steigt sie in kein fremdes Auto mehr ein.
    Eine halbe Stunde später sitzen die beiden Mädchen im Regionalzug nach Limburg. Von dort wollen sie sich nach Düsseldorf durchschlagen. Jetzt kann nichts mehr passieren. Doch dann kommt der Schaffner. Die beiden haben keine Fahrkarte lösen können, weil an dem Provinzbahnhof der Ticketschalter eingeschneit war. Sie erzählen dem Schaffner ihre Geschichte. Von den Sommerreifen, dem Schneefall, der 180-Grad-Drehung und den Scheinwerfern, die immer näher kamen – und dem verschneiten Automaten.
    Der Schaffner hört sich die Geschichte an und sagt dann knapp: »Das ist Ihr Problem. Fakt ist, dass Sie ohne gültigen Fahrschein unterwegs sind.« Er macht eine kurze Pause und schaut die beiden Mädchen ernst an. »Das heißt: Jede von Ihnen zahlt mir den Fahrschein und zusätzlich 40 Euro Strafe.« Insgesamt muss Kathrin fast 100 Euro für das Ticket blechen. Natürlich könnte sie jetzt versuchen, mit dem Schaffner zu diskutieren. Aber darauf hat sie heute echt keine Lust mehr. Es hätte auch keinen Sinn, der Schaffner schaltet auf stur. Kathrin winkt ab. Sie ist einfach nur froh, nicht mehr in dem Auto sitzen zu müssen. Dann denkt sie an das Gefühl, das sie beim Einsteigen in den Mercedes hatte. Langsam schüttelt sie den Kopf: Wie kann man sich nur so täuschen? Das war alles andere als eine coole Mitfahrgelegenheit.

Internet?

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