Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)
ist der Golf zehn Jahre alt. Und normalerweise pendelt er nur ein paar Kilometer zwischen zwei Ortschaften hin und her, und nicht mehrere hundert Kilometer nach München. Außerdem hat er viel Gepäck und drei Personen an Bord. War wohl doch keine so tolle Idee, 160 zu fahren … Schließlich steigt er ein und lässt den Motor an. Die Temperaturanzeige bleibt bei 90 Grad. »Schaut gut aus. War wohl alles ein bisschen viel für das kleine Auto«, freut sich Frank. Alles bestens.
Langsam steuert Frank den grauen Golf durch die Straßen der Raststätte in Richtung Autobahn. Als er auf dem Beschleunigungsstreifen aufs Gas drückt, piept es erneut kurz im Auto. Dann steigt die Temperatur in zwei Sekunden auf 130 Grad Celsius. Mist. Frank bleibt auf der rechten Spur, schneller als 90 km/h fährt er nicht. Von hinten hupt ihn ein LKW an, schert aus und überholt den grauen VW Golf. Na toll, jetzt überholen ihn schon die Lastwagen …
Langsam wird er unruhig. Schaffen sie es noch bis München oder sollen sie direkt eine Werkstatt ansteuern? Frank ist in einer Zwickmühle. Einerseits hat er einen Mitfahrer im Auto, der in gut zwei Stunden in München sein muss, andererseits hat er Angst, dass der Motor platzt, wenn er weiterfährt. Immerhin sind es noch über 90 Kilometer. Eine Panne mitten auf der Autobahn – und noch dazu mit einem Mitfahrer an Bord – ziemlich übel.
Also versucht Frank, nicht zu beschleunigen. Wenn er bei einer Steigung doch aufs Gas treten muss und der Temperaturanzeiger in die Höhe schnellt, verkrampft sich sein Magen. Wie beim Oktoberfest, wenn sich die Achterbahn in die Tiefe stürzt. Schweigend fährt Frank Kilometer um Kilometer. Immer mit der Angst im Nacken, dass der Golf im nächsten Moment stehen bleiben könnte. »Ich könnte doch Thomas eine SMS schreiben und ihn fragen, was wir tun sollen«, sagt Meike. Sie hat Franks Unruhe mitbekommen und ist selbst nervös. »Gute Idee«, antwortet Frank erleichtert. Thomas ist ein Freund von Meike und arbeitet als Mechaniker. Wenn einer weiß, was zu tun ist, dann er.
Während Meike die Nachricht schreibt, fährt Frank vorsichtig weiter Richtung Augsburg. Er versucht, so wenig Gas wie möglich zu geben. Wenn er vom Gaspedal geht, verringert sich die Temperatur auf 120 Grad. Sobald er aber nur ein bisschen durchdrückt, schnellt die Anzeige hoch. Plötzlich piept’s wieder. Doch diesmal ist es nicht die Temperaturanzeige, sondern Meikes Handy. Thomas hat geantwortet. Ein Glück, das ging schnell.
»Was sagt er?«, fragt Frank aufgeregt, während Meike die Nachricht liest. »Also. Er schreibt, dass wir auf jeden Fall zur nächsten Werkstatt fahren sollen. Er denkt nämlich, dass es der Thermostat ist. Das kann man innerhalb von ein paar Minuten feststellen und schnell austauschen.« Erleichterung macht sich breit in Oma Ernas grauem Golf. Es ist Viertel nach eins, sie sind kurz vor Augsburg. Da gibt’s genügend Werkstätten. »Ich bring dich direkt zu deinem Vorstellungsgespräch. Dann schaffen wir das locker bis um drei«, sagt Frank und schaut in den Rückspiegel. Jean bedankt sich und grinst. Es sind noch fast zwei Stunden bis zu seinem Gespräch – und er ist 70 Kilometer entfernt. Jeder andere würde ständig auf die Uhr schauen.
Direkt bei der Autobahnausfahrt ist eine Werkstatt. Frank lenkt den grauen Golf auf den Parkplatz. Dort stehen nur Opel-Fahrzeuge. Egal, denkt sich Frank und geht in Richtung Werkstatttor, ein paar Minuten später kommt er mit einem Mechaniker zurück. Zielstrebig geht der Mann mit der dunkelgrauen Latzhose um den Golf herum und fordert Frank auf, die Motorhaube zu öffnen. Dann blickt er kurz auf den Plastikbehälter mit dem Kühlwasser. Wie vorher ist der Stand absolut ausreichend. »Wird der Thermostat sein«, sagt er und lässt die Motorhaube in die Verankerung krachen. »Aber tun’s mir bitte einen Gefallen. Fahren’s zur VW-Vertragswerkstatt. Die können die Temperatur exakt messen und genau sagen, was los ist. Wir können das nur bei Opel-Modellen machen.«
Frank ist genervt. Jetzt müssen sie auch noch zu einer anderen Werkstatt und verlieren wieder Zeit. »Tut mir echt leid«, sagt er zu Jean. Doch der bleibt seelenruhig. »Macht nichts. Ich rufe gleich bei der Firma an und sage, dass ich später zum Vorstellungsgespräch komme.« Und kommt gleich darauf grinsend zurück. »Kein Problem. Sie warten auf mich.« Frank ist erleichtert und startet den Motor.
Um Viertel vor zwei biegt der graue VW
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