Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)
gemütlich nach München, und anschließend habe ich mein Gespräch.« Dankbar nickt Frank ihm zu. Der Typ hat echt die Ruhe weg. Es ist 14.30 Uhr.
Fünf Minuten später wird Frank von einem Mitarbeiter der Mietwagenfirma abgeholt und kommt kurz darauf mit einem schwarzen Ford Fiesta zurück. Es ist fast drei, Jean greift zu seinem Handy und ruft bei seinem potenziellen Arbeitgeber an. In einer Stunde könne er es nach München schaffen, sagt er. Die Sekretärin am anderen Ende der Leitung fordert ihn auf, sich ruhig Zeit zu lassen. Ihr Chef habe einen Termin dazwischengeschoben und erwarte Jean jetzt um 17 Uhr. Zwei Stunden für 60 Kilometer mit einem neuen Mietauto. Jetzt müssten schon alle Stricke reißen …
Derweil laden Frank und Meike Koffer, Taschen und Laptops von Oma Ernas Golf in den Ford, dann übergibt Frank den VW-Schlüssel an Mechaniker Michael Huber. ›Hoffentlich ist es nur der Thermostat, und wir können dich morgen abholen‹, murmelt er dem grauen Golf zu. Dann setzt er sich hinter das Steuer des Fiesta und lässt den Motor an.
Gebannt starren Frank, Meike und Jean auf die Temperaturanzeige. Nichts piepst, und die Anzeige bleibt bei ganz normalen 90 Grad. »Das schaut doch gut aus«, sagt Jean und klopft Frank auf die Schultern. »Sieh an, es wird ja doch noch was mit deinem Gespräch«, antwortet der Fahrer lächelnd. Vor der Panne haben sie sich noch nicht unterhalten, jetzt feixen sie ununterbrochen. So ein Malheur schweißt eben zusammen.
Um Viertel vor vier erreicht der Ford Fiesta München. Frank, Anja und Jean haben fast fünf Stunden von Karlsruhe nach München gebraucht, normalerweise dauert es maximal drei. Für Jean ist es trotzdem viel zu früh, deshalb wiegelt er ab, als ihn Frank unbedingt zu seinem möglichen neuen Arbeitgeber fahren will. Also fährt Frank zum Hauptbahnhof, wie sie es in Karlsruhe ursprünglich vereinbart hatten. Dort will der Fahrer auch nur 15 statt der abgemachten 18 Euro für die Fahrt. Schließlich hat er Jean mit dem alten Golf genügend Umstände gemacht. Erst will Jean das nicht annehmen, doch Frank besteht darauf. Zum Abschied drücken sich die beiden fest die Hand. »Es tut mir recht leid, dass das so lange gedauert hat«, sagt Frank und lächelt Jean an. »Alles Gute für dein Gespräch.« Jean wiegelt ab und grinst. »Hey, kein Problem. Eigentlich war’s doch ganz lustig.«
Am frühen Abend klingelt Franks Handy. Es ist die VW-Vertragswerkstatt in Augsburg. Das Schlimmste ist eingetreten. Der Zylinderkopf ist kaputt, die Werkstatt möchte für die Reparatur 3400 Euro. Frank schluckt. Das ist viel Geld. Er beratschlagt sich mit seinen Eltern und Oma Erna, dann beschließen sie, den Wagen in der Werkstatt eines Freundes in die Nähe von Karlsruhe transportieren und dort reparieren zu lassen. Vielleicht wird’s da ja billiger. Aber eine Stange Geld wird die Reparatur doch kosten. Geknickt steigen Frank und Meike am nächsten Morgen in ihren Mietwagen, um nach Karlsruhe zurückzukehren.
Dann piept Franks Handy. Eine SMS von Jean. Er bedankt sich noch mal für die witzige Fahrt. Frank und Meike grinsen. Er hat recht, trotz allem war die Autofahrt lustig. Außerdem will ihr Mitfahrer wissen, ob Oma Ernas Auto wieder startklar ist. Frank schreibt Jean, dass es wohl mehrere Tausend Euro kosten wird. Eine Minute später piept Franks Handy erneut. Jean hat geantwortet. Es tut ihm sehr leid, dass die Reparatur so teuer ist. Aber er will mitzahlen, denn Geld spielt bei ihm jetzt keine Rolle mehr: Er hat den Job als Ingenieur nämlich bekommen und heute einen hoch dotierten Vertrag unterschrieben.
Der letzte bequeme Zug unter vier Stunden Richtung Heimat geht schon um kurz nach vier Uhr nachmittags. Von Freiburg muss Bettina dann zuerst nach Zürich fahren, dort steigt sie um und ist um acht zu Hause in Lindau am Bodensee. Doch 16 Uhr ist ihr heute viel zu früh, denn sie muss den ganzen Nachmittag in der Bibliothek verbringen. Sie wälzt zwei Bücher für ihre Seminararbeit über Friedrich Barbarossa. Ende nächster Woche ist Abgabe. Also fährt der Zug ohne sie los.
Über die seltsamen Abfahrtszeiten ärgert sich die Studentin schon länger. Da wohnt sie in Freiburg, doch der letzte Zug zu ihren Eltern geht schon am Nachmittag. Das ist ja wie in im hinterletzten Provinzkaff, wo kurz nach Mittag alle Bürgersteige hochgeklappt werden. Bettina bleibt nur noch eine Chance, heute doch noch nach Lindau zu kommen: die Mitfahrzentrale. Und sie hat Glück.
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