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Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)

Titel: Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mauritius Much
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sie hat nicht mal einen Zeugen für ihre Version. Die fehlenden 30 Euro kriegt sie sicher nicht, so viel ist klar. Veronika stampft mit dem Fuß auf den Boden, wie scheiße ist das denn, dass diese dämlichen Franzosen mit ihrer Masche durchkommen!
    »Ich verzichte auf die Anzeige«, sagt Veronika zu dem Beamten. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich mit 75 Euro zufriedenzugeben. Der andere Beamte kommt zurück. Auch die Franzosen sind bereit, Veronika nicht anzuzeigen, wenn sie weniger zahlen müssen. Damit ist die Sache erledigt. Wortlos geht Veronika an den Franzosen vorbei, setzt sich in ihr Auto und fährt nach Hause.
    ›Was für ein beschissenes Wochenende!‹, ärgert sich Veronika. Erst Stress mit dem Freund, dann Krach mit Franzosen. Nur langsam beruhigt sie sich. Eines steht für sie allerdings seit heute fest: Eigentlich wollte sie mit einer Freundin in einer Woche an die Côte d’Azur fahren. Das wird sie jetzt schön bleiben lassen. Von Franzosen hat sie erst mal genug.

Ihren grauen Golf liebt Oma Erna sehr. Kein Dreckspritzer am Autolack, die grauen Überziehfelle über den Sitzen sind frisch gekämmt. Weder Brotkrümel noch Staub finden sich auf den Armaturen, der Hutablage oder im Fußraum. Seine zehn Jahre sieht man dem Golf IV nicht an. Denn Oma Erna hegt und pflegt ihn. Mehr als fünf Kilometer am Stück mutet sie ihm nicht zu. Zum Einkaufen ins Nachbardorf oder zum Friseur – weiter nicht. Normalerweise.
    Aber heute will Oma Ernas Enkel Frank nach München. Dort studiert der junge Mann mit den blonden Locken Informatik. Er will seiner Freundin Meike die Stadt zeigen und hat deshalb Oma Erna gefragt, ob sie ihnen ihren Golf leihen kann. Sofort hat sie zugestimmt, denn ihren Enkel Frank mag sie noch viel lieber als ihren grauen Golf. Also holt das junge Pärchen morgens den Golf bei Oma Erna in einem Dorf bei Karlsruhe ab und bricht um elf Richtung München auf.
    Hinter ihnen auf der Rückbank sitzt Jean. Der Ingenieur mit der dunklen Hautfarbe trägt einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd. Er stammt aus dem Senegal und muss zu einem Vorstellungsgespräch nach München. Um drei Uhr nachmittags soll es beginnen. Jetzt ist es Viertel nach zwölf, als der Golf recht problemlos die Anhöhen der Schwäbischen Alb erklimmt. Noch 160 Kilometer bis München. In etwas mehr als einer Stunde werden die drei am Ziel sein. Dann bleiben Jean noch knapp zwei Stunden, um vom Hauptbahnhof zu seinem potenziellen Arbeitgeber in den Münchner Norden zu kommen. Das reicht dicke.
    Nach der Alb führt die Autobahn leicht bergab Richtung Ulm. Frank nützt die Gelegenheit und beschleunigt Oma Ernas Golf auf 160 km/h. So schnell fährt der Wagen durch die badischen Dörfer normalerweise nicht, aber ihm scheint die Geschwindigkeit nichts auszumachen. Doch plötzlich, kurz vor Ulm, piept irgendwas. Ein kurzes, schrilles Fiepen, das nach einer Sekunde aufhört, ein richtig fieser Ton. Doch dann blinkt die Temperaturanzeige rot und steigt unaufhörlich. Normal sind 90 Grad, nach wenigen Sekunden sind 130 Grad erreicht – der Zeiger klebt ganz rechts an der Anzeige.
    Nervös schaut Frank auf das rote Lämpchen und bremst sofort ab. Mit 90 km/h ordnet er sich in der rechten Spur ein. Jedes Mal, wenn er vom Gas geht, sinkt die Temperatur ein wenig. Manchmal sind es nur noch 110 Grad, dann 120 Grad. Sobald er aber aufs Gaspedal tritt, schnellt die Anzeige auf Anschlag. »Ich fahre bei der nächsten Raststätte mal raus«, sagt Frank betont ruhig. Wahrscheinlich hat Oma Erna bei ihren kurzen Fahrten vergessen, das Kühlwasser aufzufüllen. »Okay, kein Problem«, sagt Jean. Keine Spur nervös. Es ist halb eins, er hat ja noch zweieinhalb Stunden bis zu seinem Gespräch. Das schaffen sie locker.
    An die Ausfahrt Leipheim schließt sich ein Rasthof an. Langsam fährt Frank an den Tanksäulen vorbei und parkt das Auto vor dem Eingang zur Raststätte. Dann öffnet er die Motorhaube. Besser den Motor abkühlen lassen, bevor er den Stand des Kühlwassers überprüft. Jean kauft sich einen Kaffee an der Tankstelle, Meike geht aufs Klo. Nach einer Viertelstunde beugt sich Frank wieder über die Motorhaube. Er betrachtet den weißen Plastikbehälter mit dem Kühlwasser. Die Flüssigkeit steht genau zwischen den beiden Kerben für die minimale und maximale Füllmenge, also alles in Ordnung. Am Kühlwasser kann’s nicht liegen …
    Vielleicht habe ich den Wagen ein bisschen überfordert, denkt sich Frank jetzt. Immerhin

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