Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)
Veronika ist keine glühende Patriotin, aber was ihre Mitfahrer da abziehen, geht gar nicht!
›Nix da, die zahlen den vollen Preis‹, denkt sie sich. Soll es ihnen ruhig zu eng sein. Veronika versucht, ihre Wut zu unterdrücken. Ihre Mitfahrer sollen nicht merken, dass sie alles verstanden hat. Nur schnell in Freiburg ankommen, die Kohle einsacken und nichts wie weg.
Nach einer halben Stunde hat die Lästerei ein Ende. So viel Schimpfen macht anscheinend müde, jedenfalls schlafen alle drei ein. Veronika entspannt sich. Solange die drei Fahrgäste pennen, muss sie sich nicht über deren Geläster ärgern. Außerdem sind die Autobahnen so leer wie selten, sieben Stunden nach der Abfahrt in Berlin erreichen sie Freiburg. So schnell war sie schon lange nicht mehr daheim.
Vor dem Hauptbahnhof hält Veronika an, die Mitfahrer laden ihr Gepäck aus. Dann drückt der Beifahrer ihr 75 Euro in die Hand. »Hier, das ist von uns dreien für die Fahrt«, sagt er auf Deutsch. Veronika nimmt das Geld, doch dann wird sie stutzig. Moment mal, 75 Euro geteilt durch drei macht nur 25 Euro pro Person. Ausgemacht waren 35. Da fehlen 30 Euro!
»Entschuldigung, aber ich hatte 35 Euro für die Fahrt pro Mitfahrer geschrieben«, sagt Veronika. »Ich bekomme also von jedem von euch noch 10 Euro.« Der 1,95 Meter große Beifahrer baut sich vor Veronika auf und schaut finster auf sie herab. »Mehr kriegst du nicht. Es war viel zu eng in dem Auto, wir konnten nicht vernünftig sitzen.« Veronika ist stinksauer. Erst lästern sie über die Deutschen, dann wollen sie auch noch weniger bezahlen!
Energisch schüttelt Veronika den Kopf. »Ich hatte 35 Euro gesagt. Du hast am Telefon zugestimmt. Also gebt mir jetzt sofort mein Geld.« Doch der Mann winkt ab, dreht sich um und will gehen. Veronika hält ihn fest. »Ich will sofort mein Geld«, sagt sie laut. Sie kann sich gerade noch beherrschen, nicht loszubrüllen. Doch der Beifahrer lächelt sie nur kühl an. »Das ist alles, was du von uns bekommst.«
Jetzt hat Veronika die Schnauze voll und setzt alles auf eine Karte: »Ich will jetzt sofort meine 30 Euro«, sagt sie in bestem Französisch. Die drei Franzosen horchen auf. »Ihr lästert die ganze Fahrt über uns Deutschen und jetzt wollt ihr weniger bezahlen. Was bildet Ihr euch überhaupt ein?« Veronikas Wut steigert sich, jetzt brüllt sie.
»Was willst du überhaupt, du deutsche Schlampe«, mischt sich die dunkelhäutige Französin ein. »Sei froh, dass wir dir überhaupt 25 Euro geben. Solchen Rassisten wie dir sollte man überhaupt nichts geben.« – »Ich? Du bist doch die Rassistin. Wer macht denn alle Deutschen schlecht. Du oder ich?« Das hat gesessen. Die dunkelhäutige Französin wird mächtig wütend. Sie packt Veronika mit beiden Händen am Jackenkragen, schüttelt sie und stößt sie dann weg. »Was willst du? Du Schlampe.« Dann spuckt sie Veronika an. Die ist zunächst völlig perplex, rennt dann aber auf ihre Gegnerin zu und schubst sie nach hinten. Drohend ballt sie ihre Faust. Wenn die Französin eine aufs Maul haben will, soll sie sie bekommen.
In dem Moment kommen zwei Polizisten angerannt und gehen dazwischen. »Was ist hier los?«, brüllen sie. »Diese Frau hat uns in einem viel zu engen Wagen mitgenommen und will uns jetzt den vollen Fahrpreis abknöpfen«, sagt der Beifahrer auf Deutsch. »Außerdem hat sie gesagt, dass meine Freundin eine dreckige Negerin ist.« Veronika reißt die Augen auf. Das ist ja wohl die Höhe! »Das stimmt überhaupt nicht«, empört sie sich. »Die drei sind bei mir mitgefahren, wir haben 35 Euro pro Person ausgemacht, jetzt wollen sie nur 25 zahlen.« Veronika keucht vor Wut.
»Meine beiden Freunde können bezeugen, dass diese Frau eine Rassistin ist«, erwidert der Beifahrer kühl. Veronika schluckt. So ein Mist. Sie ist allein und hat keinen Zeugen für ihre Version der Geschichte. Die anderen sind zu dritt und können behaupten, was sie wollen. »Herr Wachtmeister, ich finde es ein starkes Stück, dass mir Ausländerfeindlichkeit unterstellt wird, nur um mich um den ausgemachten Fahrpreis zu prellen.«
Die beiden Beamten trennen die Kontrahenten. Der eine spricht mit den Franzosen, der andere wendet sich an Veronika. »Wir können Sie alle jetzt auf die Wache mitnehmen. Dann erstatten Sie Anzeige, die anderen auch. Sie können sich das Ganze aber auch sparen und sich jetzt einigen.« Scheiße, dämmert es Veronika. Er hat recht. Es steht Aussage gegen Aussage – und
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