Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)
mit rechts auf das Lenkrad – direkt auf den Airbag. Während er sich Namen und Telefonnummer des Anrufers notiert, macht das Auto wieder einen Schlenker nach rechts auf die mittlere Spur. Die Mitfahrer halten den Atem an.
Michael sitzt in einem Auto, dessen Fahrer gleichzeitig raucht, telefoniert, sich etwas notiert und dabei mit 150 km/h auf der Überholspur fährt. Und bei dem hat er auch noch einen Haftungsausschluss unterschrieben! ›So geht’s nicht weiter‹, sagt sich Michael. ›Ich muss etwas sagen.‹ Denn er merkt, wie er und die anderen Mitfahrer immer nervöser werden.
Nachdem der Fahrer zu telefonieren aufgehört hat, sagt Michael: »Es tut mir leid, aber mir ist unwohl. Du fährst mit Kippe, Telefon, notierst nebenbei noch was, fährst auf der linken Spur mit 150 km/h und überholst. Das finde ich zu krass.« Es sei kein Problem, wenn er einen Anruf bekomme, fügt Michael hinzu. Aber in diesem Fall könne er ja auf einen Rastplatz fahren oder auf die rechte Spur wechseln und nur 90 fahren. Dann könne er den Mitfahrern diktieren, wenn er etwas notieren müsse.
Der Mann mit den schulterlangen Haaren wird zornig. »Was regst du dich denn so auf? Ich bin ein sicherer Fahrer. Entspann dich mal!« Außerdem solle Michael ruhig sein. Erst bringe er zu viel Gepäck mit, dann stelle er auch noch Ansprüche. »Entschuldige bitte«, sagt Michael ganz ruhig und freundlich. »Ich wollte dich nur darum bitten, nicht alles gleichzeitig zu machen, während du fährst.« Die anderen Mitfahrer nicken. Der Student neben Michael sagt: »Das finde ich auch.« Missmutig drückt der Fahrer seine Zigarette aus und legt beide Hände an den Lenker. Er hat gemerkt, dass alle auf Michaels Seite sind. Immerhin.
Danach herrscht völlige Stille im schwarzen Kombi. Keiner unterhält sich. Doch der Fahrer mit den schulterlangen Haaren scheint seine Lektion gelernt zu haben. Er fährt deutlich konservativer, hat beide Hände am Lenkrad und telefoniert und raucht nicht mehr gleichzeitig. Ganz langsam entspannt sich die Stimmung im Auto. Auch Michael ist wieder ruhig und schläft zufrieden ein.
Doch zwischen Frankfurt und Köln bimmelt das Handy des Fahrers wieder. Wie es der Zufall will, rauchte er gerade. Er nimmt die Kippe in den Mund, klemmt das Handy zwischen Ohr und rechte Schulter und schreibt wieder etwas auf den Zettel, den er auf das Lenkrad presst. Der Wagen nähert sich der linken Leitplanke, dann macht das Auto einen Schlenker in die Mitte. Michael ist sofort hellwach. Geht das schon wieder von vorne los? Er merkt, wie die Wut in ihm aufsteigt. Dann fällt dem Fahrer der Kugelschreiber aus der Hand. Er versucht, ihn auf dem Boden unter dem Lenkrad zu finden. Währenddessen schlingert der Wagen nach rechts. Das Mädchen auf der Rückbank neben Michael beginnt zu murren. Dann gibt der Fahrer die Suche nach dem Kugelschreiber auf und sagt ins Telefon: »Sorry, ich muss jetzt aufhören. Ich hab’ so unentspannte Mitfahrer dabei. Da kann ich jetzt nicht weitertelefonieren.«
Neben ihm hört Michael ein entrüstetes »Boah!«. Die junge Mitfahrerin, Anfang 20, kann nicht fassen, was der Fahrer gerade von sich gegeben hat. Michael ist stocksauer. »Wenn Sie das noch einmal machen, will ich an der nächsten Raststätte sofort aussteigen. Ich werde dann auf keinen Fall etwas bezahlen, so wie Sie fahren, das ist grob fahrlässig. Ich behalte mir vor, Sie deswegen anzuzeigen.« Michael hat sich in Rage geredet, dann beruhigt er sich und blickt den Fahrer finster an.
Im Wagen ist es totenstill. Michaels Worte haben gewirkt. Mehrmals klingelt das Telefon noch auf dem Weg nach Köln, doch er geht nicht mehr dran. Und raucht auch nicht mehr. Er fährt normal, meidet die linke Spur und überholt nur, wenn ein Lastwagen vor ihm langsam fährt. Wortlos drücken die Mitfahrer Sandro das Geld in die Hand, dann verschwindet er. Michael ist froh, dass er heil in Köln angekommen ist. Seine Drohung hat funktioniert. Wenn’s um Geld geht, schmunzelt er, wird anscheinend selbst der größte Vollidiot zum rücksichtsvollen Autofahrer.
Ein Freund der geregelten Arbeit ist Georg noch nie gewesen. Das gibt er selbst zu. Gelernt hat der Mann mit den langen Dreadlocks Mechaniker in einer Kfz-Werkstatt in seinem Heimatdorf am Niederrhein. Doch schnell überwarf er sich mit seinem Chef und flog raus. Danach tingelte er durch die Welt. Ein Jahr Indien, vier Monate Australien, ein halbes Jahr Marokko. Mit Gelegenheitsjobs schlug er sich
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