Testament liegt im Handschuhfach: Unterwegs mit der Mitfahrzentrale (German Edition)
Jedenfalls blinkt sofort ein rotes Lämpchen auf, als Jakob auf den Knopf an der Kaffeemaschine drückt. Strom in einem 30 Jahre alten Auto? Wie geht das denn?
Erstaunt glotzt Jakob die Kaffeemaschine an, Georg grinst breit in den Rückspiegel. »Geil, oder? In meinem Auto fließen 220 Volt. Und das alles ganz für lau.« Mächtig stolz erzählt er, dass der Strom von einer 60-mal-20-Zentimeter-Solarzelle auf dem Dach stammt. Die hat er eigenhändig montiert. Mithilfe eines Wandlers hat der Bulli sein eigenes Stromnetz. Damit kann Georg nicht nur während der Fahrt Kaffee kochen, sondern auch ein richtiges Menü zubereiten. Manchmal schließt er dort auch eine Musikanlage an und initiiert eine Spontanparty, wenn er sich abends mit seinem Auto auf einen Parkplatz stellt.
Jakob ist beeindruckt. So was hat er noch nie erlebt: einen Weltenbummler mit verfilzten Haaren in einem klapprigen VW-Bus mit Solarzelle aufm Dach, um autark leben zu können … Und der Kaffee ist erste Sahne. Mit der Tasse bewaffnet, klettert er wieder zurück auf den Beifahrersitz.
Dann leuchtet die Tankanzeige auf. Einen Nachteil hat der alte Bus schon: Er schluckt verdammt viel Sprit. Auf hundert Kilometer verbraucht er 15 Liter – gerade wenn es immer wieder bergauf geht. Deshalb steuert Georg die nächste Tankstelle an. Sobald sie anhalten, kommt ein Mann mit langen, roten Haaren und rotem Klodeckelbart auf den VW-Bus zu. Er trägt ein abgewetztes weißes T-Shirt und zerschlissene Jeans. Exakt so stellt sich Jakob Georgs Freunde vor.
»Excuse me«, fragt der Rothaarige in gutem Englisch. Er ist Holländer, so viel hört man an seinem Akzent. »Can you help me?« Er deutet auf den Parkplatz. »Klaro«, sagt Georg. Er tankt, zahlt und fährt langsam auf den Parkplatz. Direkt hinter der Tankstelle winkt der rothaarige Holländer mit beiden Armen. Hinter ihm steht ein Wagen, gegen den der 30 Jahre alte Bulli wie ein Neuwagen wirkt: ein uralter, weißer Lieferwagen von Ford. Ob an den Türen, den Kanten und der Motorhaube, überall sieht man kupferrote Rostflecken. Die Karre hat kein normales Dach mehr, stattdessen hat der Holländer ihr ein weißes Campingdach übergestülpt. Doch besonders ordentlich hat er die Arbeit nicht gemacht, denn überall hat es kleine Löcher. Niemand würde bei dem mitfahren. Und definitiv nicht bei Regen.
Der rothaarige Holländer bittet Georg, direkt neben seinem Wagen zu parken. Aus dem Beifahrerfenster glotzt eine große, schwarze Dogge. Sonst bewegt sie sich keinen Zentimeter. Der Holländer hat die Motorhaube aufgeklappt. Der Wagen springt nicht mehr von selbst an, er braucht Hilfe. Neben dem Auto liegen bereits ein schwarzes und ein rotes Starterkabel. Der Holländer ist bestens vorbereitet. Die Karre verreckt ihm sicher nicht zum ersten Mal.
Georg öffnet die Motorhaube seines Bullis. Zielstrebig befestigt er die Greifzangen des roten Kabels am Pluspol der Batterie, der Holländer macht das Gleiche bei seinem Auto. Dann befestigt Georg das schwarze Kabel am Minuspol, während der Mann mit den roten Haaren das andere Ende am Motorblock befestigt. Gelernt ist gelernt. Beide wissen genau, was sie tun müssen. Haben ja auch reichlich Erfahrung. Georg ist Mechaniker, und der Wagen des Holländers scheint oft stehen zu bleiben.
Dann setzt sich Georg hinters Steuer, startet den Bulli und lässt den Motor laufen. Nach ein paar Sekunden zeigt er dem Holländer mit der Hand an, seinen Wagen zu starten. Es dauert ein paar Sekunden, dann springt auch der klapprige Ford an. Der Holländer gibt immer wieder kurz Gas und lässt den Wagen ein paar Minuten laufen. Die Batterie soll sich aufladen. Nicht, dass der Motor gleich wieder ausgeht.
Routiniert entfernen Georg und der Holländer die Starterkabel. Der Mann mit den roten Haaren bedankt sich. »Passiert dir öfter, oder?«, fragt Georg auf Englisch. Der Holländer lacht. »Guter Witz«, antwortet er. »Mein Auto springt nie von selbst an. Jedes Mal, wenn ich losfahren will, brauche ich Hilfe.« Georg starrt ihn an. Was für ein Stress, nur um das Auto zum Laufen zu kriegen. Jedes Mal muss er einen fremden Autofahrer anquatschen! Dieses Mal musste der Holländer tanken – und dafür natürlich den Motor ausmachen. Danach hat er den Ford auf den Parkplatz geschoben und gehofft, dass ihm jemand hilft.
Schmunzelnd geht Georg zurück zum Bulli. Da hat er selber einen alten, klapprigen Bus. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, mit dem Ding einer noch rostigeren
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