Testplanet Kratos
sieben Tage dennoch über sich ergehen lassen.«
»Gut, Sie sind der Boß … In gewissem Sinn sind Sie und der Rest des Teams meine Patienten, Lieutenant. Und da bin ich eben auch lieber übervorsichtig.«
Sie hatte sich schon auf dem Weg zur Tür befunden, drehte sich jetzt aber zu ihm um. »Ich fürchte, ich bin etwas schwierig gewesen. Sie haben natürlich recht, wenn Sie auf Disziplin pochen.«
»Vergessen Sie’s«, sagte Conrad lächelnd. »Ich selbst bedaure, daß ich so sehr den starken Mann markieren mußte.«
Indira lachte ihn an. Das erste Mal seit Tagen, daß sie ihm zulächelte. »James Conrad, Sie sind die komplizierteste Persönlichkeit, die mir seit langem untergekommen ist.«
Conrad grinste weiter. »Mit dieser Meinung muß ich wohl zu leben lernen. Und jetzt machen Sie, daß Sie aus dieser verdammten Blechbüchse rauskommen. Dort draußen stehen einige Pflanzen, die wie Gänseblümchen aussehen. Ich werde nicht protestieren, wenn Sie einen Strauß pflücken. Okay?«
»Okay, Commander.«
12.
Am Kennedy-Raumhafen sahen sie schon die Boden-Orbit-Fähre, die sie zu dem ÜLF-Schiff bringen sollte. Dieses befand sich bereits im Zweistundenorbit, eintausendundvierzig Meilen über der Erdoberfläche.
Die Fähre war eine schlanke, dreihundert Meter hohe Metallsäule. Sie konnte einhundertundfünfzig Tonnen Fracht befördern. Und das war für diese Fuhre nicht zuviel. Neben den sieben ENTS mußte die Fähre sieben Exoskeletts, sechs Roboter, vierzehn Raumanzüge, sieben Scheintod-Kammern, zwei Einmannkopter, einen gepanzerten Luftkissenwagen, seismologisches Gerät, zehn Tonnen konventioneller Explosivstoffe, fünfzig Tonnen Frischwasser, eine Tonne leichter Waffen, sieben Tonnen Werkzeuge, Ausrüstungsgegenstände und Ersatzteile, zwölf Tonnen natürlicher Nahrung, Nahrungskonzentrate und Arzneien, eine Tonne persönlicher Besitztümer und Bestandteile eines kleinen Materieempfängers zum Treffpunkt mit dem Schiff im Zweistundenorbit befördern.
Conrad sah das Schiff mit nüchternen Augen. Die anderen starrten es ehrfurchtsvoll an. Es war für sie das erste Mal, direkt vor einem Raumschiff zu stehen.
»Es ist wunderbar«, sagte Liz James. »Ich hatte keine Ahnung, daß Raumschiffe so schön sein können.«
»Dies hier ist bloß ein alter Kasten«, erklärte Conrad desillusionierend. »Seine Tage sind gezählt. Aber ich muß ihnen recht geben, es sieht immer noch gut aus. Das ist die Golden Hind. Ich habe sie einmal kommandiert. Aber das ist schon lange her …« Seine Stimme erstarb, und er starrte das Schiff mit geistesabwesenden Augen an.
»Ich habe Ihre Akte auch gelesen«, sagte Lieutenant Smith leise. »Sie sind mit der Golden Hind zum Merkur geflogen, überladen mit Ersatzteilen und Ausrüstung, weil die Recycling-Systeme der dortigen Kolonisten kurz vor dem Zusammenbruch standen. Die Legende will wissen, Sie hätten damals den Autopiloten mit einem Hammer traktiert und die ganze Zeit über manuell gesteuert; und daß Sie damals etwa einhundert Stunden Zeit aufgeholt und somit eine Menge Menschenleben gerettet hätten. Haben Sie daraufhin das RDVK erhalten?«
»Lieutenant Smith, Sie lesen zuviel.« Dann lachte Conrad. »Die Legende liegt natürlich falsch. Paranoid, wie ich bin, vermutete ich eine Fehlfunktion im Nav-Computer und habe ihn mit einem Schraubenschlüssel kurzgeschlossen. Damals hatte ich Glück. Das Vorgefühl hat sich ausgezahlt. Aber jetzt wollen wir uns beeilen. Wir müssen uns in Reihen vor den Medizinern aufbauen, Verzichtansprüche unterzeichnen, persönliche Besitztümer, die wir nicht mitnehmen können, verkaufen oder sonstwie loswerden, unseren Darm entleeren und all die überzählige Flüssigkeit aus unseren Körpern schwitzen. Das alles dauert länger, als Raumflugneulinge gemeinhin vermuten.«
»Boß, wann werden wir denn eingefroren?« wollte Kurt Kwango wissen. »Ich bin nämlich Buddhist und brauche meine Zeit für entsprechende Meditationen.«
Conrad warf einen Blick auf seine Uhr. »Meditieren Sie, wenn Sie in der Sauna stecken, Kurt. Wir haben hier einen strikten Plan einzuhalten. In etwa sechs Stunden liegen wir in der Tiefkühltruhe.«
Chantana Le Gros fröstelte. »Ist es denn wirklich notwendig, daß wir noch auf der Erde tiefgefroren werden?«
»Jawohl, Madame Le Gros, das ist leider notwendig.«
»Dann machen wir also noch einmal ›Winke-winke‹ zur guten alten Erde und wachen erst woanders wieder auf – wenn alles gut geht auf
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