Teufel in High Heels
nur knapp unter dem Durchschnitt«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Die normale Beschäftigungsdauer in diesem Büro beträgt weniger als zwei Wochen. Entweder feuert Vivian die Leute, oder sie rennen ihr buchstäblich davon. Oder beides, wahrscheinlich. In den acht Wochen, die ich jetzt dabei bin, habe ich fünf Assistenten kommen und gehen sehen.«
»Im Ernst?«, fragte ich. David nickte und griff nach dem bimmelnden Telefon.
»Ich geh schon dran«, sagte ich. »Claire Truman.«
»Hier Vivian«, dröhnte es mir ins Ohr. Die Rechercheunterlagen zu ihren neuen Projekten lagen wild verstreut auf meinem Schreibtisch. Ich versuchte sie hastig zu ordnen, während Vivian auf mich einredete. »Ich habe ein paar Ideen, denen Sie für mich nachgehen sollen. Erstens: Dieses Mädel, das den überführten Mörder ihrer Schwester geheiratet hat. Und zwar gestern Abend in seiner Zelle, haben Sie es gelesen? Es stand in The Star , sagen Sie Ihrem Assistenten, er soll das Blatt für Sie abonnieren. Rufen Sie an und fragen Sie, ob die Frau ein Buch daraus machen will - bieten Sie ihr zweihundertfünfzig. Stellen Sie mir eine Liste mit Ghostwritern dafür zusammen, das Ding sollte in acht Wochen
auf den Regalen stehen, bevor sie wieder aus den Schlagzeilen raus ist. Reden Sie mit Dawn wegen des Termins, und lassen Sie sich nicht von ihr erzählen, es wäre zu knapp - es ist immer zu knapp, und ihr Gejammer steht mir verdammt noch mal bis hier! Zweitens: Wir müssen uns irgendwie aus dem Kochbuch mit Mario rauswinden. Ich weiß, wir haben ihn unter Vertrag, aber der Typ ist so was von zweitklassig - kennt den auch nur irgendwer?! Eine schwachsinnige Idee von Julie, ihn überhaupt ins Spiel zu bringen, und jetzt ist sie nicht mehr da, also fragen Sie bei der Rechtsabteilung nach, wie wir am besten aus dem Vertrag herauskommen. Was sollen wir solche Unsummen für einen billigen Bocuse-Verschnitt verpulvern.«
Mir wurde flau im Magen. Julie war eine meiner Vorgängerinnen, die mir unter anderem das Kochbuch von Mario hinterlassen hatte, dem legendären Küchenchef und Gastronomen eines renommierten italienischen Deli- und Cateringunternehmens. Tags zuvor hatte ich erstmals mit ihm telefoniert und ihm versichert, dass wir alle von seinem Buch restlos begeistert seien.
»Sie klingen sehr nett«, hatte er zum Schluss des Gesprächs gesagt. »Sie müssen bald einmal in mein Restaurant kommen! Bringen Sie Ihre Freunde mit! Sie sind natürlich eingeladen!«
Mist. Aus dem Vertrag herauszukommen, das würde kein Zuckerschlecken werden. Bisher hatte ich noch nie einem Autor solch unangenehme Neuigkeiten eröffnen müssen. Und schlimmer noch, ich wusste, dass Mario den Fotografen bezahlt hatte, in gutgläubiger Erwartung der ersten Vorschussrate. Der Gedanke, ihn darauf sitzen zu lassen, war abscheulich... vielleicht konnte ich Vivian ja die näheren
Umstände erklären und mich dafür einsetzen, dass wir Marios Spesen übernahmen. Gefallen würde es ihr vermutlich nicht, aber es war nur fair. Ich beschloss, mir auszurechnen, wie viel er bereits ausgelegt hatte, und das Thema später bei Vivian zur Sprache zu bringen.
»Ach ja, und ich bin’s leid, mir jeden Abend auf Fox das Gelaber von diesem rechtslastigen Quasselkaspar Samuel Sloane anzuhören. Der Kerl ist ein Idiot - ich weiß, wir haben seine Bücher verlegt, aber er hat keinen Funken Grips. Zum Kotzen. Ein aufgeblasener, widerwärtiger, schwachköpfiger Medienhengst. Stellen Sie mir eine Liste von Buchautoren zusammen, die ihn in der Luft zerreißen sollen. Ich will das Ding spätestens in vier Wochen vorliegen haben …«
Vivian textete mich noch mit fünf weiteren Projektideen zu, dann verkündete sie, sie sei nun im »Studio« angekommen und werde in ein paar Stunden nachfragen, wie weit ich gekommen war. Erst jetzt, als ich scharf nach Luft schnappte, fiel mir auf, dass ich die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Noch mehr Ideen, die ich recherchieren sollte? Ich war bisher doch nicht mal mit den Recherchen und Fragen zu der vorigen Liste durch.
Und dabei ging der Spaß gerade erst so richtig los.
Sechstes Kapitel
Stolz und Vorurteil
Zu spät!
Während ich im Eiltempo meine U-Bahnstation ansteuerte, schwappte bei jedem Schritt der Eiskaffee aus dem schwitzenden Plastikbecher. Phil hatte mich gebeten, gleich frühmorgens an einer Besprechung mit einer möglichen neuen Autorin und ihrer Agentin teilzunehmen, aber ich hatte verschlafen - unter anderem deshalb, weil ich am
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