Teufel in High Heels
Luke gehört, war ihm bisher aber nur einmal begegnet, beim siebzigsten Geburtstag seines Onkels. »Das ist ja toll!«, sagte ich, den Blick streng auf sein Gesicht geheftet, um den Eindruck zu erwecken, sein restlicher Aufzug wäre mir entgangen. »Was treibst du denn so?«
»Kindereien, wie du siehst«, sagte Luke mit einem satten Lachen. »Auf einmal bin ich aber doch froh, dass ich mich gegen die Idee mit der XXL-Windel gewehrt habe.«
Ich stimmte in sein Gelächter ein. So albern er auch aussah, eins musste man ihm lassen: Er hatte jede Menge Selbstbewusstsein und eindeutig den Mayville’schen Charme. Und war dazu eigentlich auch noch ganz süß, so der Typ Huckleberry Finn - wenn man über das Häubchen hinwegsehen konnte. Wenn .
»Hey, meine Schicht ist fast um. Lust auf einen Kaffee oder sonst was in der Art?«, fragte Luke und zog mich sacht am Arm aus dem Gewühl.
»Schön wär’s.« Ich erwähnte die Morgenbesprechung, für die ich nun wirklich schon reichlich spät dran war. Und versuchte nicht zu dem überdimensionalen Gummischnuller hinzusehen, der ihm beschwerlich um den Hals hing.
Wir tauschten am Straßenrand rasch ein paar Neuigkeiten aus. Es stellte sich heraus, dass Luke eine ganze Reihe solch seltsamer Jobs durchzog, um sich über Wasser zu halten und sein Literaturstudium an der Columbia University abzuschließen; außerdem war sein erster Roman so gut wie fertig.
»Ich würde ihn sehr gern lesen, wenn du damit durch bist«, bot ich ihm an und kramte nach einer Visitenkarte. »Ich arbeite jetzt als Lektorin bei Grant Books - ein völlig anderer Laden als P&P, wie du vielleicht weißt, aber ich suche immer nach guter neuer Literatur.«
»Super! Das fände ich toll«, sagte er und umarmte mich (nicht ganz einfach wegen der beiden Reklametafeln), bevor wir uns trennten.
»Sag Jackson schöne Grüße von mir«, rief ich noch über die Schulter hinweg. Jackson war vor kurzem nach Virginia gezogen. Seit meinem Start bei Grant Books hatten wir ein paar Mal telefoniert, aber auf seinen letzten Anruf hatte ich mich wegen Arbeitsüberlastung immer noch nicht gerührt.
Luke sagte, das würde er. Und dann machte ich mich im Eiltempo auf den Weg zum Büro.
»Was das Haus wirklich braucht«, zwitscherte meine Mutter munter, während ich den Hörer zwischen Schulter und Ohr einklemmte, um beide Hände für die Sichtung des Posteingangs frei zu haben, »ist mehr Zitronengelb, mehr Petunienrosa, mehr Aquamarinblau, mehr dunkles Amethyst, mehr spektakuläres Fuchsienrot, mehr …«
Peng! Das Mobilteil knallte auf meinen Schreibtisch. Doch Mom fuhr unbeirrt mit ihrer Regenbogenpalette fort- demnach war ihr der Höllenlärm offensichtlich entgangen (wenn sie einmal in Fahrt ist, stumpft ihr normalerweise überaus scharfes Wahrnehmungsvermögen stark ab).
Sie war mit Ideen zur Verschönerung des Heims beschäftigt. Bis zum alljährlichen Fest zu Ehren meines Dads blieben uns noch etliche Monate, doch Mom war schon schwer damit zugange, das Haus entsprechend aufzumöbeln. Das Fest
lag ihr ebenso sehr am Herzen wie mir, und ich wusste, dass sie alles bis ins kleinste Detail perfekt haben wollte.
In den fünf Jahren seines Bestehens war es bereits zur Tradition geworden: An dem Samstag im Januar, der dem Geburtstag meines Vaters am nächsten liegt, steht unser Haus allen Freunden, Familienangehörigen und Ortsbewohnern offen. Wer Lust hat, kann vorbeikommen, sich an Essen und Trinken laben und Lieblingsgedichte vorlesen. Letztes Jahr kam so viel an Spenden zusammen, dass wir ein auf Dads Namen lautendes Studienstipendium einrichten konnten. Was mit einer Versammlung von vielleicht einem Dutzend Menschen in unserem Wohnzimmer begonnen hatte, war in den Unikreisen schnell zu einer beliebten Veranstaltung geworden. In diesem Jahr ging Mom von zweihundert oder mehr Besuchern aus.
»Was meinst du, sähe die Küche in Minzgrün oder in Tomatenrot besser aus?«, fragte sie.
»Nimm Grün, Mom. Und was kann ich dir dabei helfen? Soll ich mich um das Catering und das Büffet kümmern? Oder ich könnte bei Prairie Lights anrufen und fragen, ob sie Bücher für die Tombola stiften?« Prairie Lights war eine unabhängige örtliche Buchhandlung mit einer der besten Kinderbuchabteilungen des ganzen Landes, in der ich mir, begleitet von Dad, jedes Jahr zum Geburtstag fünf neue Bücher hatte aussuchen dürfen. Sie hatten uns bei unseren Dichterfesten bisher immer sehr großzügig unterstützt.
»Das wäre toll,
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