Teufel in High Heels
sprechen.«
Lieber Gott, hoffentlich hatte sie recht. Mein Handy vibrierte. Ich fischte es aus der Tasche. Unbekannter Anrufer.
»Geh ruhig dran. Vielleicht ist es ja Randall«, gurrte Bea und lächelte mich erwartungsvoll an.
Ich meldete mich.
»Claire. Vivian.« Es war mir schon aufgefallen, dass
Vivian sich nicht gern mit langen Begrüßungen aufhielt. Sie nannte gerade mal ihren Namen und legte dann sofort mit dem los, was sie augenblicklich auf dem Herzen hatte, gefolgt von einem knappen »Rufen Sie mich zurück.« Sicherlich effizient, wenn auch nicht unbedingt der liebenswürdigste Ansatz für eine Unterhaltung. »Ich muss ein paar Ideen für morgen mit Ihnen durchsprechen. Haben Sie Stift und Papier bei der Hand?«
»Hallo, Vivian.« Ich warf Bea einen bezeichnenden Blick zu und kramte ein Notizheft aus meiner Tasche. »Okay, schießen Sie los.«
Zwanzig Minuten später lächelte Bea mir mitfühlend zu, warf ein paar Scheine auf den Tisch und ging. Ich verspürte Gewissensbisse, weil sie noch gar nicht dazu gekommen war, von sich zu erzählen, aber die waren schnell verflogen. Eine jede meiner kleinen grauen Zellen war fieberhaft bemüht, all das aufzunehmen, was Vivian an Buchkonzepten herunterrasselte wie ein Auktionator bei einer Versteigerung. Seit unserer Nachmittagsbesprechung waren ihr schon wieder ungefähr ein Dutzend neuer Ideen gekommen, von denen die Hälfte über vertretbares Potenzial zu verfügen schien. Ich kritzelte das halbe Heft mit Vivians genialen Eingebungen voll. Zum Glück erhoben die Kellner des Bilboquet keine Einwände dagegen, dass ich den Tisch eine gute Stunde über Gebühr mit Beschlag belegte - da genoss ich wohl das Privileg des Stammgasts. Sie kredenzten mir sogar ein Glas Rosé.
»Legen Sie mir morgen um zehn alles Nötige zu den Projekten vor, damit wir sofort damit weitermachen können«, lautete Vivians Schlusswort, bevor sie auflegte.
Um zehn? Ich schluckte vernehmlich. Wie sollte ich es schaffen, die ganzen Ideen zu recherchieren, mögliche Autoren
aufzulisten, genügend Lücken in dem Rohplan zu füllen, den sie mir da eben präsentiert hatte … und das bis zehn Uhr am folgenden Morgen?
Mein Magen krampfte sich zusammen, aber ich spürte, dass ich bereit war, mich zu beweisen. Es war an der Zeit, Ernst zu machen und die Zähne zu zeigen. Sicher, im Augenblick wuchs mir alles ein bisschen über den Kopf - mit der Arbeit und mit Randall -, doch der Mensch wächst ja bekanntlich mit seinen Herausforderungen.
Als ich am anderen Morgen um viertel nach sechs im zwölften Stock ausstieg, lagen die Räume von Grant Books nicht etwa leer und verlassen da, wie ich es erwartet hatte. Nein, die Hälfte meiner Kollegen war bereits an der Arbeit - rund drei Stunden früher als sonst in unserer Branche üblich. Kein Wunder, dass wir trotz dieser Rumpfbelegschaft hundert Titel pro Jahr raushauen , dachte ich. Die Türen waren geschlossen, doch es brannte Licht, und schon jetzt hörte ich eifriges Geklapper von Tastaturen.
Bis zehn hatte ich drei Tassen Kaffee intus und sechs von Vivians Ideen durchgearbeitet - die sechs, die mir am erfolgversprechendsten schienen. Es machte Spaß, kreativ gefordert zu sein und Bücher von Grund auf zu konzipieren. Bei P&P kauften die meisten Lektoren fertige Manuskripte von Agenten ein, bei Grant hingegen wurden Konzepte im Haus entwickelt und ausgetüftelt - normalerweise von Vivian selbst, da sie unbestritten auf die meisten und besten Ideen kam - und dann von den jeweils optimal geeigneten Autoren und Ghostwritern übernommen. Es war überaus anregend, ein gelungenes Konzept und das entsprechende Team zusammenzubauen, aus verschiedensten Ideen den
richtigen Ansatz herauszufiltern, und die Stunden waren wie im Flug vergangen.
Dennoch fühlte ich mich leicht nervös, als ich gegen zehn in Vivians Büro anrief, um meine Ergebnisse vorzulegen - schließlich hatte ich nur die Hälfte von dem bearbeitet, was sie mir am Abend zuvor heruntergebetet hatte. Wenn ich mich wirklich reinhängte, würde ich den Rest bis mittags schaffen - und hoffte, sie damit zufriedenzustellen. Sicherlich war es besser, wenigstens einen Teil vorzuweisen, als den Präsentationstermin einfach so verstreichen zu lassen.
»Vorzimmer von Vivian Grant«, sagte Gregory, der Typ, der sich anhörte wie Milton mit Nebenhöhlenentzündung.
»Hey, Gregory. Ist Vivian da? Ich sollte -«
»Sie ist in L. A. Meldet sich erst mittags«, teilte er mir mürrisch mit.
In L.
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