Teufel in High Heels
Schätzchen, aber bleibt dir denn auch wirklich Zeit dafür?«, sagte Mom besorgt. »Du hast doch gerade erst eine neue Stelle angetreten. Vielleicht überlässt du das alles dieses Jahr lieber mir?«
So ungern ich es zugab, ihr Einwand ließ sich nicht von
der Hand weisen. Ich war zwar erst einen Monat bei Grant Books, aber meine Erledigungsliste wuchs in geradezu alarmierendem Tempo. Allein in der vergangenen Woche hatte man mir fünf neue Titel aufgehalst, alle von einer Lektorin übernommen, die laut Vivian »in die Klapsmühle gehörte und mit den Anforderungen des Jobs nicht fertig geworden ist«. Wie präzise ihre Diagnose war, vermochte ich nicht zu beurteilen - jedenfalls hatte ich mit den neuen Projekten alle Hände voll zu tun.
Trotzdem wollte ich das Meine zur Planung von Dads Fest beitragen. Schließlich hatte seine Arbeit Dad kein einziges Mal davon abgehalten, mir bei den Hausaufgaben zu helfen, bei meinen Tanzproben und Fußballspielen zuzusehen und mich abends ins Bett zu bringen. Die Zeit musste ich mir einfach nehmen.
»Okay, Liebes«, willigte Mom widerstrebend ein, »aber sag sofort Bescheid, wenn es dir zu viel wird. Nicht dass es dich völlig auszehrt.«
»Abgemacht«, sagte ich und rieb mir meinen knurrenden Magen. Plong! Outlook signalisierte eine neue E-Mail. Schon beim ersten Hinsehen wusste ich, dass sie von Vivian kam: Wer wählte sonst schon Schriftgröße 16pt, die jede Botschaft buchstäblich zum Brüller machte. »Du, Mom, könnte ich dich später oder morgen noch mal zurückrufen? Ich hab nämlich noch nichts zu Mittag gegessen und bin kurz vorm Verhungern -«
»Du hast noch nichts zu Mittag gegessen? Claire, es ist doch schon fast vier! Ich weiß, dein neuer Job ist stressig, Schätzchen, aber bitte vergiss nicht, immer gut auf dich zu achten.«
»Ich weiß, Mom, mach ich.«
»Bea hat mir erzählt, dass du abgenommen hast!«
Grrr. Ich konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn Bea Mom unnötig aufregte. »Mom, mir geht’s prima … Ich muss mich einfach nur auf das neue Tempo einstellen.«
»Und sie hat auch noch gesagt, dass du die ganze Woche hindurch bis nach Mitternacht gearbeitet hast.«
Beatrice und Mom hingen dauernd am Telefon. Aller Wahrscheinlichkeit nach redeten sie mehr miteinander als mit mir, insbesondere seit ich bei Grant angefangen hatte. Ich fand’s ja auch toll, dass sie so dicke befreundet waren - solange Bea keine Einzelheiten über mein Leben ausplauderte, die Mom um den Schlaf brachten.
»Ist keine große Affäre, Mom. Ich arbeite hier eben auf Hochtouren, das ist alles.«
»Na gut. Aber lass dich von dieser Vivian nicht herumschubsen. Bea sagt -«
»Mom, sie schubst mich nicht herum«, unterbrach ich sie. »Sie bringt mir einen Riesenhaufen bei! So eine Gelegenheit gibt’s nur einmal im Leben! Wieso bin ich eigentlich die Einzige, die das offenbar zu schätzen -«
»Okay, ich weiß. Tut mir leid.« Mom seufzte leicht.
»Ich rufe dich die Woche noch mal an, Mom. Hab dich lieb.«
Ich fühlte mich mies, weil ich sie so angefahren hatte, aber ich war derartig ausgehungert, dass es mir schon vor den Augen flimmerte. Also sah ich schnell noch in Vivians E-Mail rein - nichts, was nicht zehn Minuten warten konnte - und schnappte mir meine Geldbörse. Burger Heaven, das so passend benannte Imbisslokal gegenüber, schrie nach mir.
Unglücklicherweise flog die Tür zu meinem Büro auf, bevor ich losziehen konnte.
» Hal-lo , Sie umwerfendes, rattenscharfes Frauenzimmer!«, plärrte es zur Begrüßung - keine andere als die legendäre Größe Candace Masters, eine meiner neuen Autorinnen, die da auf zwei Salzstangen von Stilettos hereingestöckelt kam.
In den Achtzigern war sie ein internationales Supermodel gewesen, hatte sich vom Studio 54 bis zum Bungalow 8 durch sämtliche angesagten Schuppen gefeiert, in puncto Männern ausschließlich Milliardäre in Betracht gezogen, gegen Abhängigkeit von so ziemlich jeder Substanz auf diesem Planeten gekämpft, sich öfter, als sie zählen konnte, unters Messer begeben, ein paar Mal geheiratet, ein paar Kinder in die Welt gesetzt und sich nebenbei ein paar Bestseller über all ihr Tun und Treiben aus dem Kreuz geleiert. Sie war immer noch sehr attraktiv, auch wenn die regelmäßigen Visiten bei Dr. Lifting ihr allmählich einen Hauch von Madame Tussaud verliehen. Und sie sprühte nur so vor Temperament, in einem Ausmaß, das den Verdacht aufkommen ließ, sie hätte vielleicht doch nicht allen chemischen
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