Teufel in High Heels
Leib riss und zusammengeknüllt in den Mülleimer warf. Uäähh. So widerwärtig hatte ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt.
Die Erinnerung an den Abend war ein einziges Flickwerk mit vielen Aussetzern. Luke im Otheroom ausfindig machen … der erste, berauschende Schluck Whisky-Cola... über sein Buch reden … noch einen Drink... Dampf ablassen
über die Arbeit, über Vivian und Lulu … eine weitere Runde … das Geständnis, mit welch gemischten Gefühlen ich meine Wohnung aufgab, um mit Randall zusammenzuziehen... eine weitere Runde... Ärger mit seiner veganischen Freundin (die ihn bei einem lüsternen Blick auf eine Wildlederjacke ertappt hatte) … eine weitere Runde … und dann der Heimweg mit Luke, sein Arm um meine Schulter, weil ich so fror... sein Kuss auf die Wange vor meinem Haus …
Es durchfuhr mich siedendheiß. O-oh. Das war fraglos der Teil des Abends, den ich irgendwie ungut in Erinnerung hatte. Ich hatte Luke am Ärmel gezupft, ihn zu überreden versucht, noch auf einen Drink mit nach oben zu kommen. Wollte weiter und weiter mit ihm reden. War er mitgegangen? War außer dem Wangenkuss noch irgendwas passiert? Ich zermarterte mir das Hirn, aber mir fielen keinerlei Einzelheiten mehr ein, außer dass ich allein und mit einem ausnehmend blöden Grinsen im Gesicht die Stufen zu meiner Wohnung erklommen hatte. Sonst war nichts weiter vorgefallen, da war ich mir hundertprozentig sicher.
Warum fühlte ich mich dann so vage und seltsam … schuldig ?
Vielleicht verwechselte ich die Schuldgefühle ja auch schlicht mit einem ausgewachsenen Kater.
Ich ging unter die Dusche und zwang meine müden, schmerzenden Knochen in einen Bürodress. Heute war glasklar Taxi angesagt. Kein Gedanke daran, mich mit überfüllten U-Bahnen herumzuschlagen.
»Morgen, Claire«, sagte David eine halbe Stunde später, als ich an der Trennwand seines Arbeitsplatzes vorbeischlurfte. »Vivian sucht Sie schon, sie ruft seit ungefähr halb neun dauernd an. Hört sich an, als wäre sie …«
»In rabenschwarzer Stimmung?«, setzte ich trocken nach. »Heißt das, sie hat Sie nicht wie üblich mit ›He, Sie Milchgesicht, sagen Sie dieser nichtsnutzigen, spatzenhirnigen Blödfrau, sie soll mich zurückrufen‹ begrüßt?«
Galgenhumor war so ziemlich das Einzige, was uns bei Grant Books blieb.
Im nächsten Moment bemerkte ich den Schatten auf Davids ohnehin freudloser Miene. Er räusperte sich so nachdrücklich wie ein nach mehrmaligen Fehlversuchen aufröhrender Motor. Oh nein. Bitte mach, dass sie nicht … betete ich im Umsehen. Vergeblich, denn hinter - und jetzt vor - mir stand Vivian, ein geifernder Bullterrier, zum Angriff bereit.
»Die Hoffnung auf einen Rückruf vor dem Mittagessen hatte ich schon aufgegeben«, zischte sie mich an, auf Zehenspitzen gereckt, um die Distanz zwischen ihrem und meinem Gesicht wenigstens halbwegs zu überbrücken. Es machte sie offenkundig rasend, dass sie mit ihren einszweiundfünfzigeinhalb gute fünfzehn Zentimeter kleiner war als ich und sich den Hals verrenken musste, wenn sie mit mir von Angesicht zu Angesicht sprechen wollte. Meine Stilettos trug ich mittlerweile täglich aus purem Trotz, ganz gleich, wie sehr sie oder der Kater vom Vorabend mich plagten.
Ich warf einen Blick auf die Uhr hinter Davids Schreibtisch - drei Minuten nach neun - und krümmte mich in Erwartung eines gezielten Magenschwingers.
»Was ich sagen wollte«, schnauzte Vivian, »ich habe hier vier Schnellschüsse, die Sie übernehmen sollen. Mit jeweils drei Wochen Bearbeitungszeit, und die Autoren haben ab jetzt genau drei Wochen bis zur Ablieferung des kompletten Manuskripts. Kriegen Sie das hin?«
Der Magenschwinger wäre mir lieber gewesen. Meinethalben sogar ein paar Bambussplitter unter den Nägeln.
Vier Schnellschüsse, jeder mit dem gleichen abartigen Terminplan, keiner davon auch nur im Ansatz zu Papier gebracht, was hieß, dass ich im günstigsten Fall die nächsten sechs Wochen am Stück rund um die Uhr im Büro verbringen durfte und aller Voraussicht nach die verschiedenen Abgabetermine dennoch nicht würde einhalten können. Leider Gottes hatte ich in einem ähnlich gelagerten Fall schon einmal über die Klinge springen, sprich in einem Schlafsack vor meinem Schreibtisch nächtigen müssen, um mein Schlafpensum für den November halbwegs erfüllen zu können. Phil war bekanntermaßen ebenso vorgegangen, und Graham verbrachte nahezu ebenso viele Nächte im Büro wie zu Hause.
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