Teufel in High Heels
in der Arbeit an ein paar Riesenwälzern.
»Wenn es nicht absolut sein muss, würde ich da nicht hineingehen«, warnte er mich. »Der Haifisch bleckt die Zähne.«
»Leider bin ich herbeordert worden.« Ich schluckte den kindskopfgroßen Kloß herunter, der mir in der Kehle saß. Bei der Vorstellung, dass Vivians Laune noch schlechter war
als gewöhnlich, wäre ich am liebsten schleunigst in Deckung gegangen, aber den Strauß musste ich wohl ausfechten. Ich umarmte Phil mitfühlend. »Tut mir leid für dich. Versuch’s nicht persönlich zu nehmen.«
»Gleichfalls.« Mit einem Seufzer trottete er durch den Flur zurück zu seinem Büro.
Ich holte noch einmal tief Luft, stemmte mich mit meinem ganzen Gewicht gegen die Tür zu Vivians Gruft und trat ein. Drinnen herrschten arktische Temperaturen. Meine Lippen verfärbten sich auf der Stelle violett, und die Härchen auf meinen Armen gingen in Habtachtstellung. Vivian hing am Telefon und bedeutete mir mit emporgerecktem Finger zu warten. Ich nahm steif auf einer Couch Platz.
Und dachte an Jacksons behagliches Büro bei P&P zurück, mit den weich gepolsterten Ledersofas, der warmen Beleuchtung, den Familienfotos, den umlaufenden Bücherregalen und den antiken Schreibmaschinen. An wie vielen Abenden hatte ich es mir dort mit irgendwas zu futtern und einem Manuskript in einem Sessel gemütlich gemacht und stundenlang gelesen, während Jackson am Schreibtisch arbeitete. Mara hatte es häufig ebenso gemacht. Wie in einer Familienbibliothek, mit uns als einer großen Familie.
Aber die Zeiten waren vorbei.
Jetzt standen Vivians verchromte, schwarzlederne Designersofas um mich herum, die ungefähr denselben Wohlfühlfaktor hatten wie Parkbänke. Die Beleuchtung war eiskalt, die Kunstwerke an den Wänden zeigten phallische Symbole - hauptsächlich einzelne, vor der Skyline von New York emporragende Wolkenkratzer. Statt Bücherregalen wurde hier Schaukästen mit Hintergrundbeleuchtung der Vorzug gegeben. In der Glasvitrine gleich neben mir lag Vivians
Erstausgabe von Der Prinz , und der Kasten am anderen Ende der Couch barg ebenfalls eine Erstausgabe von ihr, Das fröhliche Flittchen. Es war schon sehr bezeichnend, welche beiden Bücher meiner Chefin zuvörderst am Herzen lagen.
»Sie wissen doch überhaupt nicht, wovon Sie reden, verdammte Scheiße noch mal. Herr-gott. Da werden Sie einmal für den National Book Award nominiert, und schon denken Sie -« Vivian verfiel in untypisches Schweigen. Nur ihre langen Fingernägel trommelten wie wild ein präzises Maschinengewehrstakkato auf die Tischplatte.
Sie erinnerte mich an einen Gangster der alten Schule: die bizarren Nadelstreifenanzüge mit den breiten Revers, der protzig blinkende Diamantenklunker an ihrem kleinen Finger, die Legionen rückgratloser Marionetten von der Personalabteilung, die darauf getrimmt waren, wegzuschauen, wann immer sie die Unternehmenspolitik von Mather-Hollinger sabotierte. Der Gedanke, eines Tages neben einem blutverschmierten Pferdekopf aufzuwachen, war mir schon mehr als nur einmal gekommen.
Wenn sich ihr jemand widersetzte, fackelte Vivian nicht lange und ging zum tödlichen Angriff über: Verträge wurden null und nichtig, Rufmordkampagnen inszeniert, empfindsame Seelen verhackstückt. Schlimmer noch, sie eröffnete das Feuer schon beim leisesten Verdacht auf eine Unbotmäßigkeit, was hieß, dass sie häufig irgendeinen armen Tropf plattmachte, der nichts weiter als ein Opfer ihrer akuten Paranoia war. Für sie waren alle nur darauf aus, sie zu verscheißern, sie abzuzocken, ihre Autorität und ihre Position zu untergraben.
»Was war das gerade?«, knurrte sie in die Sprechmuschel und bedeutete mir, weiter zu warten. »Damit eins klar ist, Sie
mieses Stück Scheiße: Ich bin kein Biest, ich bin das Biest schlechthin. Und wenn ich nicht bis Donnerstag - jawohl, ich meine diesen Donnerstag - ein druckreifes Manuskript in Händen halte, dann wird besagtes Biest sich Ihren Vorschuss bis auf den letzten Penny zurückholen. Kapiert? Ist mir egal, ob Ihre Mutter nur noch drei Stunden zu leben hat -«
Sie knallte den Hörer auf und aktivierte per Summer Tad, ihren neuesten Assistenten (vierundzwanzig, ehemaliges Unterwäschemodel, der an ebenjenem Morgen in einer E-Mail an die gesamte Belegschaft »Lecktorat« geschrieben hatte).
»Streichen Sie Hiram Peters von meiner Telefonliste«, schnauzte sie in die Sprechanlage. »Scheißtunte.«
O nein. Der arme Hiram. Phil würde komplett ausrasten.
Weitere Kostenlose Bücher