Teufel ohne Gnade Kommissar Mor
Begleitung bitte, so tue ich es lediglich aus einer polizeilichen Erfahrung heraus, nach der niemals ein Mann allein die Räume einer Frau betreten soll. Sehen Sie, und ich bin allein."
„Dann werde ich Sie wohl nicht enttäuschen dürfen, Kommissar", war Ivry Dellinger nur zu gern bereit, sich dem Kommissar anzuschließen.
Sie verließen gemeinsam den exklusiven Raum, durchquerten ein hinter der Bühne befindliches Zimmer und standen dann auf dem langen Garderobengang. „Die zweitletzte Tür links, meine Herren!" deutete der Kellner ihnen den Weg.
Eine achtbare Münze wechselte ihren Besitzer, und mit angehaltenem Atem schritt Ivry Dellinger neben Kommissar Morry auf die be- zeichnete Tür zu. Die klangvolle Stimme Belinda Craffields forderte die Männer zum Eintreten auf. Sie befand sich allein in ihrer Garderobe, wie Kommissar Morry sofort mit einem unauffälligen Blick feststellte und bot nach kurzer, schmuckloser Vorstellung den Männern in einer erfrischend natürlichen Art Platz an. Ivry Dellinger konnte nicht umhin, unablässig die faszinierende Frau zu betrachten. Wie dunkle Seen lagen ihre Augen unter wohlgeformten Brauen. Ivry Dellinger drohte in diesen Augen zu ertrinken. Auch Kommissar Morry bedauerte beinahe insgeheim, diese Frau mit seinen Fragen belästigen zu müssen. Noch mehr! Er hatte die undankbare Aufgabe, Belinda Craffield den plötzlichen Tod ihres Onkels mitzuteilen. Sie schien noch nichts zu wissen, denn mit Rücksicht auf die zur Zeit schwebenden Ermittlungen, hatte die Presse noch nichts davon erfahren. Auch anderweitig hatte sie noch kein Wort von der gräßlichen Tat am River-Lea gehört. Andernfalls, so folgerte Kommissar Morry richtig, würde eine Frau wie Belinda Craffield nicht so unbekümmert vor ihnen sitzen. So verband er nun seine unangenehme Mission gleichzeitig mit einer Befragung ihres Alibis zur Tatzeit. Erbarmungslos mußte Kommissar Morry seinen eingeschlagenen Weg weiter gehen, wenn er zum Erfolge kommen wollte. Rücksichten konnte und durfte er bei keinem Menschen nehmen. Ungerührt stellte er daher seine Fragen.
„Miß Craffield! Ich darf Sie hier doch beim richtigen Namen nennen", leitete er das Verhör ein.
„Selbstverständlich, Kommissar."
„Well!" begann er dann. „Wollen Sie mir bitte sagen, wo Sie sich letzten Sonnabend gegen elf Uhr aufgehalten haben?"
Ohne lange zu überlegen, antwortete Belinda Craffield mit einem entwaffnendem Lächeln.
„Nichts leichter als das, Kommissar! — Während dieser Zeit befand ich mich noch in der Albert-Hall. Sie wissen ja, am vergangenen Wochenende fand das bekannte Wohltätigkeitsfest statt, und da habe ich..."
„Stimmt, Miß Craffield! Ich entsinne mich jetzt wieder, Ihren Künstlernamen im Zusammenhang mit diesem Fest gehört zu haben. — Wann verließen Sie die Hall und fuhren in Ihre Wohnung zurück?"
Ohne die geringsten Unmutsanzeichen beantwortete sie auch dieses. „Es mag etwas vor Mitternacht gewesen sein, als mich Mister Haggerthy von der Albert-Hall nach Hause fuhr."
„Wissen Sie das noch ganz genau, Miß Craffield? — Denken Sie noch einmal nach, war es noch vor oder schon nach Mitternacht?" wollte Kommissar Morry noch einmal wissen.
„Es war noch vor Mitternacht, Kommissar! — Ich weiß es darum so genau, weil ich bereits meinen Auftritt vor elf Uhr beendet hatte und fast eine ganze Stunde auf Mister Haggerthy, der mich um diese Zeit abzuholen versprach, gewartet habe."
„Hm. Es ist nicht schön, bei einer Dame unpünktlich zu sein", meinte Morry leichthin und schoß schmunzelnd eine scheinbar belanglose Frage ab:
„Hat Mister Haggerthy Ihnen den Grund seiner Unpünktlichkeit angegeben?"
Die direkte Fragestellung machte Belinda Craffield nun doch etwas verlegen. Hilfesuchend wandte sie ihren Kopf zur Seite und blickte in das grübelnde Gesicht Ivry Dellingers. Dieser aber hatte im Augenblick viel zuviel mit sich selbst zu tun.
Er merkte somit gar nicht den bittenden Blick der Frau. Die Eröffnungen, die er in weniger als fünf Minuten erfahren hatte, schienen in seine schöne Zukunftsmusik einige Miß töne hineingeworfen zu haben. ,Die Nichte des stadtbekannten und steinreichen Lords und er? — Ausgeschlossen!' —
Seine leichte Niedergeschlagenheit wäre mit einem Schlage fortgewischt gewesen, hätte er in dieser Sekunde Kommissar Morrys Augen besessen. So aber blieb Ivry Dellinger vorerst ahnungslos — und Belinda Craffield antwortete nach kurzer Unterbrechung mit einem bitteren
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