Teufel - Thriller
Informationen suche. Eher ein sehr spezielles Gebiet, wissen Sie. Günther ist ein guter Bekannter und hat mir oft in militärischen Fragen weitergeholfen.«
»Lassen Sie sehen«, verlangte sie und streckte die Hand aus. »Ich bin Militärhistorikerin und kann Ihnen vielleicht ein paar Hinweise geben. Eigentlich transkribiere ich hier Tagebücher, die ich für meine Arbeit brauche. Und was machen Sie?«
»Ich bin Journalist und recherchiere eine Geschichte für die Zeitung«, gab Wagner unverbindlich zurück. Dann reichte er ihr die beiden Marken.
»Kommen Sie mit mir ans Fenster, da sehen wir besser«, meinte die Wissenschaftlerin und zog Paul mit sich. »Die Erkennungsmarken der Deutschen Wehrmacht sind oval und zweigeteilt, in der Mitte mit einer Sollbruchstelle versehen. Diese beiden hier sind aus Aluminium, und auf jeder Hälfte stehen die gleichen Buchstaben- und Zahlenreihen. Wenn der Träger fiel, dann wurde die untere Hälfte abgebrochen und zuerst an die Einheit, dann an die Heeresverwaltung zurückgeschickt. Die obere Hälfte blieb bei dem Gefallenen. Diese beiden Marken gehörten zwei Soldaten desselben Regiments. Schauen Sie hier:
I/Gr. R. 178 .«
Sie fuhr mit dem Bleistift leicht über die eingravierten Zeichen, um sie besser hervorzuheben. »Das heißt › Erstes Grenadier-Regiment 178 ‹ . Dann sehen wir die Zeichen
Bl. Gr. A ,
was nichts anderes als Blutgruppe A heißt. Auf der anderen Marke ist es Blutgruppe Null. Zuletzt haben Sie da noch eine allein stehende Nummer, das ist die Registernummer, unter der ein Soldat in den Listen geführt wurde.« Sie wies auf die Gravur. »Hier die 94 und da die 137.«
Wagner nickte. »Was kann man sonst noch dazu sagen?«
Die Historikerin lächelte. »Eigentlich gar nichts, wenn man nicht anfängt, weiterzurecherchieren. Aber warten Sie einen Moment, ich kann zumindest in meiner Datenbank nachschauen.« Sie öffnete rasch einen Ordner und scrollte durch einige Listen. »Das Erste Grenadier-Regiment 178 gehörte zur 76. Infanterie-Division, die wiederum war Teil der Achten Armee, und die ihrerseits gehörte zur Heeresgruppe Süd. Kommandant in den letzten Kriegstagen General Friedrich Schulz, davor Lothar Rendulic.«
Paul schwirrte der Kopf. »Für Nicht-Militärhistoriker eher schwierig zu verstehen. Ich möchte gerne die letzten Tage oder Wochen der beiden Soldaten nachvollziehen. Wo sie wann waren, mit wem und warum. Ist das möglich?«
Die Wissenschaftlerin zuckte mit den Schultern. »Halten wir uns vor Augen, dass sich im Frühjahr 1945 eine ganze Armee in Auflösung befand. Truppenteile wurden versprengt, Verwundetentransporte umgeleitet, und alle rannten um ihr Leben. Viele versuchten, so weit wie möglich nach Westen zu kommen, weil die Kriegsgefangenschaft bei den Amerikanern oder den Engländern einem Aufenthalt in einem russischen Lager bei Weitem vorzuziehen war. Die Aufzeichnungen wurden spärlicher, die Meldungen nicht mehr oder nur lückenhaft weitergeleitet. Für die letzten Kriegswochen bleiben deshalb oft nur private Tagebuchaufzeichnungen von einfachen Soldaten oder Offizieren. Was glauben Sie, wie viele davon verschwunden sind? Ich arbeite gerade daran, vergessene Exemplare, die in Schachteln auf Dachböden liegen, in Kellern verrotten oder in Erbschaften als Altpapier behandelt werden, zu sammeln, zu transkribieren und so der Forschung zugänglich zu machen. Aber abgesehen davon gab es Hunderte oder vielleicht Tausende solcher handgeschriebenen Büchlein, die mit ihren Verfassern neben einer Straße oder in einem Wald verscharrt wurden.«
Sie legte den Finger auf die Lippen und dachte nach. »Sie werden also den Weg Ihrer beiden Soldaten bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen können. Aber dann wird es schwierig.«
Paul nickte. »Was raten Sie mir?«
»Lassen Sie mich die beiden Marken scannen«, meinte sie. »Ich werde versuchen, mehr herauszufinden. Sie müssten Briefe schreiben und Ansuchen begründen, bei mir genügen ein paar Anrufe.« Die Historikerin lächelte. »Vielleicht haben wir Glück. Außerdem werde ich die Tagebücher durchforsten.«
»Wie kann ich mich erkenntlich zeigen?«, fragte Paul und zog eine Visitenkarte aus der Jackentasche. »Hier ist meine Nummer, ich bin rund um die Uhr erreichbar.«
»Herr …Wagner, darüber reden wir, wenn ich etwas herausgefunden habe. Mein Name ist Dr. Elisabeth Völker, hier meine Karte, und jetzt geben Sie mir noch zwei Minuten, damit ich die Erkennungsmarken
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