Teufel - Thriller
Geiste unseres Herrn zu wissen, Eminenz«, säuselte eine Stimme in sein Ohr. »Oder sollte ich mir Sorgen machen, dass der Advocatus Diaboli so fleißig ist?«
»Wer spricht?«, erkundigte sich Bertucci ungeduldig. »Ich bin mitten in einer… wichtigen Entscheidungsfindung.«
»Wie schön für Sie, Eminenz, wie schön.« Die salbungsvolle Stimme des Anrufers machte Bertucci nervös. »Mein Name tut nichts zur Sache, glauben Sie mir. Nur meine Nachricht zählt.«
Das ist nicht Kleinert, schoss es dem Advocatus Diaboli durch den Kopf. Diese Stimme hatte er noch nie gehört.
»Sie werden nun einen kleinen Ausflug unternehmen, am besten auf Ihrer Vespa«, fuhr der Anrufer weiter fort. »Doch bevor Sie sich auf den Weg machen, schreiben Sie die Nummer meines Handys vom Display ab. Ich habe sie nicht unterdrückt, und Sie werden sie brauchen. Später.«
»Schwachsinn! Ich werde nirgendwo hinfahren«, sagte Bertucci bestimmt. »Machen Sie Ihren Ausflug alleine und lassen Sie mich in Ruhe!«
»Aber, aber«, tadelte die Stimme, »ist Ihnen der Tod Ihres Freundes Rossotti so sehr auf den Magen geschlagen? Das tut mir leid.« Der Unterton verriet genau das Gegenteil.
Bertucci bekam eine Gänsehaut. »Was wissen Sie von Rossotti?«
»Kennen Sie den Palast von Nero?«, antwortete der Unbekannte mit einer Gegenfrage. »Das Domus Aurea, das sogenannte Goldene Haus des skandalumwitterten römischen Kaisers? Es liegt unter den Ruinen der Titusthermen und dem umliegenden Park. Eine der wahrhaft sehenswerten Attraktionen der Ewigen Stadt, auch wenn die Ausstellung derzeit geschlossen ist. Vor zwei Monaten stürzte nach den langen Regenfällen einer der Gewölbegänge ein.« Der Anrufer machte eine Pause. »Warum ich Ihnen das alles erzähle? Ganz einfach. Ich möchte, dass Sie in die Via della Domus Aurea fahren. Mit Ihrer Vespa sind Sie in zwanzig Minuten dort. Die Eingangstür zu den Ausgrabungen ist nur angelehnt, der Riegel ist nicht eingeschnappt, die Beleuchtung eingeschaltet, Sie werden also nicht im Dunkel tappen.« Ein glucksendes Lachen ertönte, das Bertucci irritierte. »Gehen Sie in den berühmten achteckigen Speisesaal, er ist nicht zu übersehen und ausgeschildert. Da wartet jemand auf Sie. Beeilen Sie sich und vergessen Sie nicht, mich zurückzurufen, wenn Sie da sind.«
Der Anrufer machte eine Pause. Bertuccis Gedanken rasten.
»Habe ich noch Ihre Aufmerksamkeit, Eminenz?«
Bertucci schluckte und grunzte unverbindlich.
»Wie schön, wie schön«, sagte der Unbekannte. »Ich weiß es zu schätzen, wenn so bedeutende Männer der Kirche mir zuhören.« Diese salbungsvolle Stimme mit ihrem › Wie schön, wie schön ‹ raubte Bertucci den Nerv. Doch plötzlich war es mit einem Schlag vorbei mit der Verbindlichkeit. »Los jetzt. Machen Sie sich auf den Weg, Bertucci, ehe ich die Geduld verliere. Ich warte auf Ihren Anruf.« Mit einem Klick wurde die Leitung getrennt, bevor der Kardinal zu Wort kommen konnte.
Der Advocatus Diaboli stützte den Kopf in seine Hände und schloss die Augen. Was sollte er tun? Hierbleiben und den seltsamen Anruf ignorieren? Zu der angegebenen Adresse hinfahren und womöglich den Körper seines enthaupteten Freundes Rossotti finden? Lamberti informieren?
Bertucci steckte den Zettel mit den Namen ein und stand auf. Im letzten Moment erinnerte er sich an die Nummer, die er notieren sollte. Er drückte eine Taste an seinem Telefon und las die Ziffernfolge. Es war die italienische Handynummer einer Prepaidkarte. Dann schnappte er seine Aktentasche und stürzte aus dem Büro.
Der Weg von der Porta della Via Sant’ Angelo in die Via della Domus Aurea führte durch das Herz der Millionenstadt, vorbei an der Stazione Termini, jenem Bahnhof, der Papst Johannes Paul II. gewidmet worden war. Bertucci schlängelte sich geschickt durch die Kolonnen des stets chaotischen römischen Verkehrs. Als er die Porta Alchemica hinter sich gelassen hatte, wusste er, dass es nicht mehr weit war bis zu den Titusthermen.
Touristenströme ergossen sich aus Reisebussen in einem stets wiederkehrenden Rhythmus vor allen Sehenswürdigkeiten der Ewigen Stadt. Der Parco di Traiano, auf dessen Gelände das Goldene Haus lag, bildete keine Ausnahme. Bertucci versuchte, so nahe wie möglich an den Eingang der Thermen zu kommen. Er schloss die Vespa ab und ließ seine Aktentasche im Topcase zurück. Dann eilte er mit fliegender Soutane durch die verschlungenen Wege der Parkanlage zu den Ausgrabungen.
Seine Unruhe
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