Teufel - Thriller
Antialkoholisches bestellen, Schwester. Der gleiche Preis.«
Barbara blickte sich schweigend um. »Ich habe gerade gar keinen Hunger«, stellte sie leise fest.
»Das ist nicht der geeignete Platz für den Beginn einer Diät«, warf Georg mit einem Blick in die Runde ein. »Allerdings ist mir der seltsame Maler auch ein wenig auf den Magen geschlagen.«
»Du meinst Cavoretto? Ich frage mich, wo er steckt.« Paul warf einen Blick auf die altertümliche Uhr über der Theke. »Und dann frage ich mich noch eine ganze Menge mehr. Dieser Typ ist undurchsichtig, glitschig wie ein Fisch und gewandt wie eine Schlange. Bei all seiner Freundlichkeit und Höflichkeit beschleicht mich ein ungutes Gefühl in seiner Gegenwart.«
»Er weiß viel über die dunklen Seiten Turins«, gab Sina zu. »Ich vermute, er selbst ist ein Teil davon, so etwas wie ein Zeremonienmeister, ein großer Magier oder mächtiger Hexenmeister vielleicht.« Der Wissenschaftler zwinkerte Paul zu und gluckste.
»Das ist doch alles Nonsens!«, entrüstete sich Barbara. »Diese Scharlatane nutzen schamlos die Gutgläubigkeit verzweifelter oder suchender Menschen aus. Es gibt keine Magier!«
»So strikt würde ich das nicht sehen«, ertönte da eine Stimme neben ihr, die ein wenig herablassend klang. Cavoretto, ganz in Schwarz, beugte sich zu der Nonne herab, ergriff ihre Hand und führte sie an seine Lippen. »Ich sage ja auch nicht, dass es keinen Heiligen Geist gibt.«
Verwirrt zog diese hastig ihre Hand zurück und schaute angestrengt auf die Tischplatte.
Die grauen Haare des eleganten Mittsechzigers standen nicht mehr wirr um seinen Kopf, sondern waren sorgsam nach hinten gekämmt, an den manikürten Fingern prangte ein großer Ring mit verschlungenen Buchstaben. Paul begrüßte den Maler und deutete erstaunt auf die silberne Kette, die zwischen den Aufschlägen seines Jacketts blitzte. »Ist das nicht ein Nagelkreuz?«
Cavoretto nickte. »Es ist das gleiche Symbol wie Ihres. Nur der eingravierte Name auf der Rückseite ist ein anderer. Deshalb war ich heute Morgen auch so erstaunt, als ich Ihr Amulett auf dem Kaffeehaustisch liegen sah.«
Georg betrachtete den seltsamen Sammler etwas belustigt. »Wohin wird unser Ausflug in die Turiner Nacht führen? In den Untergrund oder auf einen der umliegenden Berge zu einem Hexensabbat?«
Der Mann in Schwarz lächelte geheimnisvoll. »Lassen Sie sich überraschen! Doch zuerst wollen wir essen. Das ist das beste Aperitivo-Lokal in der ganzen Stadt, und wir haben noch jede Menge Zeit.« Er legte den Kopf schief und fixierte Georg. »Macht man sich nicht dann über etwas lustig, wenn man unsicher ist, Professor Sina?«
Fast zwei Stunden später verließen die beiden Freunde, Barbara und Cavoretto das Lokal. Es hatte zu regnen aufgehört, ein kräftiger Wind trieb die Wolken auseinander, und vereinzelte Sterne schimmerten über der Stadt. Die Nonne zog ihren Mantel fester um die Schultern und fröstelte.
»Wissen Sie, es ist nicht so, dass man in dieser Stadt an allen Ecken und Enden auf Teufelsrituale trifft«, meinte der Maler, der sorgfältig seinen breitkrempigen Hut aufsetzte und sich suchend umblickte. »Früher war das alles einfacher. Aber dann machte die Turiner Stadtverwaltung den Katakombenorgien ein Ende und ließ das Pantheon der Bella Rosin zumauern, dessen Altar von den Satanisten häufig für ihre Feiern genutzt worden war. Auch der alte Friedhof von San Pietro in Vincoli wurde geschlossen, weil Teufelsanbeter in der Kryptakapelle angeblich ihre Tänze aufführten. Die offiziellen Stellen sahen die Hostiendiebstähle und Grabschändungen gar nicht gern.« Cavoretto winkte einem Taxi, doch es war bereits besetzt. »Der Erzbischof von Turin behauptete, es gäbe rund 40000 Teufelsanbeter in und um die Stadt am Fuße der Berge. Das ist Unsinn.«
»Lassen Sie mich raten«, wandte Paul, der neben ihm herging, grinsend ein. »Es sind mehr.«
»Sie sollten sich nicht darüber lustig machen, Signore Wagner.« Cavorettos Stimme klang keineswegs amüsiert. »Satan hat in dieser Stadt eine lange Tradition und eine hingebungsvolle Anhängerschaft, die äußerst beeindruckende Rituale feiert.« Er blieb stehen und sah Paul durchdringend an. »Sie haben mich gefragt, ob Turin die Stadt des Teufels ist. Nun, sollte er irgendwo auf dieser Erde wohnen, dann sicherlich hier.«
Ein Wetterleuchten des abziehenden Gewitters erhellte in diesem Moment die Bergketten am Horizont. Kein Donner war zu hören, die
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