Teufel - Thriller
Vigilante«, erwiderte der Maler und neigte den Kopf. »Was für den einen Bestimmung ist, ist für den anderen Vergnügen, lautet ein alter Spruch. Aber da ist etwas Wichtigeres.« Er wandte sich an Georg und hielt die Hand auf. »Geben Sie mir bitte Ihr Nagelkreuz, Professor?«
Sina zog das Symbol hervor, und Cavoretto legte es in die Hand des Wächters. Der betrachtete es, drehte es um und las die Gravur auf der Rückseite. »Ihr erlaubt, dass ich einen Anruf tätige?«, murmelte er daraufhin, zog ein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer. Der Angerufene schien trotz der späten Stunde noch wach gewesen zu sein und hob sofort ab.
»Eminenz?«, meinte der Wächter leise. »Drei Fremde begehren Einlass. Sie weisen das Zeichen von Louis Ferrand vor.«
Die Stille, die darauf folgte, verhieß nichts Gutes. Georg und Paul konnten die Anspannung des Wächters spüren, der sie aus den Augenwinkeln beobachtete. Schwester Barbara war ganz in die Betrachtung eines Marmorbrunnens versunken, der zwei elegante, nymphenartige Wesen in einem Reigen mit einem Satyr zeigte.
Dann schien der Unbekannte am anderen Ende der Leitung zu sprechen und dem Wächter Anweisungen zu geben.
»Der ehrenwerte Gesandte möchte von Euch wissen, wie Ihr zu dem Zeichen gekommen seid oder wo es Euch verliehen wurde«, wiederholte der Vigilante und sah Cavoretto entschuldigend an. Der nahm ihm daraufhin verärgert das Mobiltelefon aus der Hand.
»Kleinert, seien Sie nicht schwierig, es sind meine Gäste«, zischte er, und seine Hand schloss sich um das Amulett an der Silberkette um seinen Hals. »Ich bürge für sie, also sehe ich nicht, was…«
»Sie sehen vieles nicht, Alessandro«, unterbrach ihn Kardinaldekan Kleinert ruhig. »Deshalb bin ich ja da, wo ich bin, weil ich mehr Augen habe, die für mich sehen, als Sie dunkle Flecken auf Ihrer Seele. Was ist mit dem Zeichen, und wer sind Ihre Gäste?«
»Ein Journalist, ein Wissenschaftler und eine Nonne«, gab Cavoretto pikiert zurück, »und ich sehe nicht ein, was der Ursprung des Zeichens damit zu tun hat. Es ist echt, eindeutig und unzweifelhaft.«
»Eben das ist es, was mir Sorgen macht«, erwiderte Kleinert. »Sein Besitzer war ein… Vertrauter, der es nicht aus der Hand geben sollte. Bleiben Sie jetzt ganz unauffällig, Alessandro. Lauten die Namen Ihrer Gäste vielleicht Wagner, Sina und Buchegger?«
»Ganz genau«, antwortete Cavoretto und konnte sein Erstaunen nicht ganz unterdrücken. Paul und Georg bemerkten es prompt und sahen sich wortlos an.
»Gut, gut, oder, um mit einem meiner ehrwürdigen Kollegen zu sprechen, wie schön, wie schön«, gab Kleinert nachdenklich zurück. »Und jetzt hören Sie mir ganz genau zu, Alessandro…«
Der Weg in den Turiner Untergrund war von Beginn an spektakulär. Ein hochmoderner, klimatisierter Lift, bestückt mit Kameras und ausgelegt mit einem dicken Teppich, der die Schritte schluckte, setzte sich langsam in Bewegung. In der gedämpften Beleuchtung zog die Geschichte Turins in Schichten an den makellos geputzten Glasscheiben vorbei. Nach den Grundmauern des Palazzos folgten mittelalterliche Fundamente mit Brandspuren, ein intakter Raum, der wohl ein Keller gewesen sein musste, und schließlich die Reste römischer Mauern.
»Ausgrabungen haben ergeben, dass hier einst die Villa eines reichen römischen Kaufherrn stand«, erklärte Cavoretto, der ganz in der Rolle des Gastgebers und Fremdenführers aufzugehen schien. Die Glastüren glitten zischend zurück, und eine atemberaubend lebensechte Skulptur eines Stieres, effektvoll beleuchtet, zog alle Blicke auf sich. »Das Zeichen des Hausherrn war, wie Sie sehen können, der kampfbereite Stier«, ergänzte der Maler mit einem ironischen Unterton.
»Eine wunderbare Arbeit«, flüsterte Schwester Barbara und strich bewundernd mit ihren Fingern über den eiskalten Marmor.
»Wäre der Geißbock nicht passender?«, warf Sina ein und sah etwas besorgt dem Lift hinterher, der lautlos nach oben glitt. Es gab keine Ruf-Taste hier unten, und der Wissenschaftler fragte sich, wie man den Aufzug wieder zurückholen konnte.
»Nein, Professor, keineswegs. Der Legende nach wurde Turin durch die Ägypter gegründet, lange bevor die Römer hierherkamen. Apis, der ägyptische Stier, ist das Sinnbild von Ptah, des Hauptschöpfergottes, eines Erdgottes, der die Menschen aus Ton formte und sich aus sich selbst erschuf.« Er sah Sina durchdringend an. »Was ist der Geißbock dagegen? Sie werden Ihre
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