Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
staatliches Gebäude und unverkäuflich sei, auch einen Laden darin zu eröffnen komme nicht in Frage – das blöde Weib begriff nicht.
Die Gerüchte über Tschitschikow wurden immer fürchterlicher. Schon fragte man sich, was dieser Tschitschikow für ein Vogel sei und wo er herkomme. Tratsch entstand, immer böser, immer ungeheuerlicher. Unruhe nistete sich in den Herzen ein. Telephone klingelten, Beratungen begannen. Es tagten die Baukommission mit der Kontrollkommission, die Kontrollkommission mit dem Wohnungsamt, das Wohnungsamt mit dem Volkskommgesund, das Volkskommgesund mit der Hauptverkleinindust, die Hauptverkleinindust mit dem Volkskommvolksbild, das Volkskommvolksbild mit dem Proletkult usw.
Man stürzte zu Nosdrjow. Das war natürlich dumm. Alle Welt wußte, daß Nosdrjow ein Lügenbold war und man ihm kein Wort glauben dürfe. Aber er wurde befragt und stand in allen Punkten Rede und Antwort.
Er erklärte, Tschitschikow habe in der Tat einen nichtexistierenden Betrieb gepachtet, und er, Nosdrjow, sehe keinen Grund, dies nicht zu tun, wo es doch alle täten. Auf die Frage, ob Tschitschikow am Ende ein weißgardistischer Spion sei, antwortete er, ja, Tschitschikow sei ein Spion, und man habe ihn kürzlich sogar erschießen wollen, jedoch aus irgendwelchen Gründen davon abgesehen. Auf die Frage, ob Tschitschikow womöglich ein Falschmünzer sei, antwortete er, ja, Tschitschikow sei ein Falschmünzer, und knüpfte daran eine Anekdote, welche Tschitschikows außergewöhnliche Abgefeimtheit illustrieren sollte. Der habe erfahren, daß die Regierung neue Banknoten herausgeben wolle, habe daraufhin eine Wohnung in Marjina Rostscha gemietet und von dort aus falsche Scheine im Werte von achtzehn Milliarden in Umlauf gesetzt, und das zwei Tage, ehe die echten herauskamen, und als man bei ihm eindrang und die Wohnung versiegelte, habe er in einer einzigen Nacht das Falschgeld mit echtem vermengt, so daß hernach selbst der Teufel nicht mehr herausgefunden hätte, welche Scheine echt und welche falsch waren. Auf die Frage, ob es stimme, daß Tschitschikow für seine Milliarden Brillanten gekauft habe, um ins Ausland zu fliehen, antwortete Nosdrjow, ja, das stimme, und er selbst habe dabei geholfen und mitgewirkt, weil ja ohne ihn überhaupt nichts daraus geworden wäre.
Nach Nosdrjows Geschichten breitete sich allgemeine Verzweiflung aus. Man sah keinerlei Möglichkeit, herauszufinden, wer Tschitschikow war. Und wer weiß, wie all das ausgegangen wäre, hätte sich nicht in der ganzen Gesellschaft einer gefunden, der freilich Gogol ebensowenig je zur Hand genommen hatte wie die andern, doch dafür eine kleine Dosis gesunden Menschenverstand besaß.
»Wißt ihr, was Tschitschikow ist?« rief er aus.
Und als alle im Chor brüllten: »Was denn?«, sprach er mit Grabesstimme: »Ein Betrüger.«
7 Da ging allen ein Licht auf. Fieberhaft wurde nach dem Fragebogen gesucht. Nicht da. In den Eingängen – nichts. Im Schrank – nichts. Bei der Registratorin: »Woher soll ich das wissen? Bei Iwan Grigorjewitsch.«
Zu Iwan Grigorjewitsch: »Wo?«
»Nicht meine Sache. Fragt den Sekretär« usw. usw.
Plötzlich wurde der Fragebogen gefunden – im Ablagekasten für überflüssige Papiere.
Man las und war perplex.
Name? Pawel. Vatersname? Iwanowitsch. Nachname? Tschitschikow. Titel? Handelnde Person bei Gogol. Womit vor der Revolution befaßt? Mit dem Aufkauf toter Seelen. Einstellung zur Wehrpflicht? Nicht so, nicht anders, weiß der Teufel wie. In welcher Partei? Sympathisierender (mit wem – unbekannt). Vorbestraft? Welliger Schnörkel. Anschrift? Hof, zweiter Stock rechts, nachzufragen im Auskunftsbüro der Stabsoffiziersgattin Podtotschina, die wisse Bescheid.
Eigenhändige Unterschrift? Pustekuchen!
Man las, erstarrte.
Instrukteur Bobtschinski wurde gerufen.
»Fahr zum Twerskoi-Boulevard zu dem Betrieb Puschdenk, den er gepachtet hat, und auf den Hof, wo seine Waren sind, vielleicht läßt sich da was herauskriegen!«
Bobtschinski kam zurück. Kugelrunde Augen.
»Ein besonderes Vorkommnis!«
»Na?«
»Kein Betrieb dort. Er hat die Adresse des Puschkin-Denkmals angegeben. Und die Vorräte gehören nicht ihm, sondern der American Relief Administration.«
Nun heulten alle auf:
»Ach du liebe Güte! So ein Vogel ist das! Und dem haben
wir Milliarden gegeben! Jetzt werden wir ihn fangen müssen!«
Und man machte sich auf die Suche.
8 Ein Druck auf den Knopf.
»Den Boten!«
Die Tür ging
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