Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Wünsche. Bleibt bei eurer Beschäftigung! Ich schaff das selbst. Ganz allein.«
Holte tief Luft und brüllte, daß die Fenster klirrten:
»Verbindet mich mit Ljapkin-Tjapkin! Sofort! Per Telephon!«
»Unmöglich. Das Telephon ist kaputt!«
»Aha! Kaputt! Leitung gerissen? Damit sie nicht sinnlos baumelt, hängt den daran auf, der da spricht!«
Du lieber Gott! Nun war was los!
»Ich bitte Sie … Was machen Sie denn … Sofort … hähä … He! Handwerker her! Draht her! Wird gleich repariert!«
Im Nu war das Telephon in Ordnung, und man reichte mir den Hörer.
Ich tobte weiter:
»Ljapkin-Tjapkin? Sch-schurke! Festnehmen den Gauner! Die Gehaltslisten zu mir! Was? Nicht fertig? In fünf Minuten fertigmachen, sonst findet ihr euch in den Totenlisten wieder! Wer ist das? Die Frau von Manilow als Registratorin? Raus! Ulinka Betristschewa als Stenotypistin? Raus! Sobakewitsch? Festnehmen! Bei euch arbeitet der Halunke Mursofejkin? Der Falschspieler Uteschitelny? Festnehmen! Und den, der sie eingestellt hat, auch! Festnehmen! Auch den! Und den da! Und jenen! Fetinja raus! Den Dichter Trjapitschkin, Selifan und Petruschka in die Registratur! Nosdrjow in den Keller! Sofort! Unverzüglich! Wer hat die Liste unterschrieben? Her mit der Kanaille, und wenn ihr ihn vom Meeresgrund holen müßt!«
Ein Donner ging durch die Hölle …
»Das ist ein Satan! Wo habt ihr den hergeholt?«
Ich: »Tschitschikow zu mir!«
»U-u-unmöglich zu finden. Der Herr haben sich versteckt.«
»Ach, versteckt? Wunderbar! Dann seid ihr dran.«
»Erbarm…«
»Ruhe!«
»Sofort … sof… Augenblickchen. Wird gesucht.«
Gleich darauf war er gefunden!
Vergeblich fiel Tschitschikow mir zu Füßen, raufte sich die Haare, zerfetzte seine Joppe und beteuerte, er habe eine arbeitsunfähige Mutter.
»Mutter!« brüllte ich. »Mutter? Wo sind die Milliarden? Wo ist das Geld des Volkes? Dieb! Aufschneiden, den Schurken! Er hat die Brillanten im Bauch!«
Man schnitt ihn auf. Da waren sie. »Alle da?«
»Ja, alle.«
»Einen Stein an den Hals binden und ab mit ihm in ein Eisloch!«
Es wurde still und sauber.
Ich rief an: »Alles sauber.«
Man antwortete mir: »Danke. Sie können sich was wünschen.« Ich machte einen Luftsprung am Telephon. Beinahe hätte ich alle meine Wünsche in den Hörer gesprochen, die mich schon seit langem quälten.
Eine Hose … ein Pfund Zucker … eine 25-Watt-Birne …
Aber dann fiel mir plötzlich ein, daß ein ordentlicher Schriftsteller uneigennützig zu sein hat, ich erschlaffte und murmelte in den Hörer:
»Nichts, nur Gogols Werke, gebunden; ich habe meine Ausgabe kürzlich auf dem Trödelmarkt verkauft.«
Und – bums! Schon lagen Gogols Werke mit Goldschnitt auf meinem Tisch!
Ich freute mich über meinen Gogol, der mich in ärgerlichen schlaflosen Nächten so manches Mal getröstet hatte, freute mich so sehr, daß ich schrie: »Hurra!«
Und …
Epilog
… wachte natürlich auf. Und da war nichts: kein Tschitschikow, kein Nosdrjow und vor allem kein Gogol.
Hehe, dachte ich und zog mich an, und das Alltagsleben hatte mich wieder.
1922
Die verhängnisvollen Eier
Erstes Kapitel
Curriculum vitae des Professors Persikow
Am Abend des 16. April 1928 betrat der Professor für Zoologie an der IV. Staatlichen Universität und Direktor des Zoologischen Instituts von Moskau, Persikow, sein Arbeitszimmer im Institut in der Herzenstraße. Er knipste die Milchglaskugel an der Decke an und sah sich um.
Der Beginn der entsetzlichen Katastrophe muß auf diesen unglückseligen Abend datiert werden, ebenso wie als Urheber der Katastrophe Professor Wladimir Ipatjewitsch Persikow anzusehen ist.
Er war achtundfünfzig Jahre alt, hervorragend gescheit, ein Wühler. Er hatte eine Glatze, von der seitlich ein paar gelbliche Haarbüschel wegstanden. Das Gesicht war glattrasiert, die Unterlippe vorgeschoben. Dies verlieh seinem Gesicht einen etwas launenhaften Ausdruck. Auf der roten Nase saß eine altmodische, kleine Brille mit Silbergestell, die kleinen Äuglein glänzten; der Professor war von hohem Wuchs und ging ein wenig gebückt. Er sprach mit dünner, knarrender Quäkstimme und hatte nächst anderen Eigentümlichkeiten auch diese: Wenn er etwas Gewichtiges sagte, wovon er fest überzeugt war, krümmte er den rechten Zeigefinger zum Haken und kniff die Augen ein. Da er aber stets überzeugt sprach, denn seine Belesenheit auf seinem Fachgebiet war phänomenal, erschien der Haken recht oft vor den
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