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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Augen seiner Gesprächspartner. Und außerhalb seines Fachgebietes, nämlich der Zoologie, Embryologie, Anatomie, Botanik und Geographie, äußerte sich Professor Persikow fast nie.
    Er las keine Zeitungen, ging nicht ins Theater. Seine Frau war ihm im Jahre 1913 mit einem Tenor von der Simin-Op er durchgebrannt und hatte ihm einen Zettel folgenden Inhalts hinterlassen:
    »Deine Frösche wecken einen unerträglichen Schauer des Abscheus in mir. Ihretwegen werde ich mein Leben lang unglücklich sein.«
    Der Professor hatte nicht wieder geheiratet und besaß keine Kinder. Er war sehr aufbrausend, doch nicht nachtragend, trank gern Tee mit Multbeerenkonfitüre und wohnte in der Pretschistenka in einer Wohnung mit fünf Zimmern, von denen eines ein Hutzelweiblein innehatte, seine Wirtschafterin Marja Stepanowna, die ihn wie eine Kinderfrau bemutterte.
    Im Jahre 1919 wurden dem Professor drei von seinen fünf Zimmern weggenommen. Daraufhin erklärte er Marja Stepanowna: »Wenn die mit diesen Gemeinheiten nicht aufhören, Marja Stepanowna, dann gehe ich ins Ausland!«
    Es steht außer Zweifel, daß der Professor, hätte er diesen Plan verwirklicht, mit Leichtigkeit den Lehrstuhl für Zoologie an jeder Universität der Welt erhalten haben würde, denn als Gelehrter war er absolut erstklassig, und bei allem, was so oder anders mit Lurchen oder Amphibien zu tun hatte, fand er nicht seinesgleichen mit Ausnahme von Professor William Wacley in Cambridge und Professor Giacomo Bartolomeo Beccari in Rom. Persikow las vier Fremdsprachen und sprach Französisch und Deutsch so gut wie Russisch. Seine Absichten hinsichtlich des Auslands führte er nicht aus, obwohl das Jahr 1920 noch schlimmer ausfiel als das Jahr 1919. Ereignisse traten ein und lösten einander ab. Die Große Nikitskaja-Straße wurde in Herzenstraße umbenannt. Sodann blieb die Uhr, die in die Wand des Hauses Herzenstraße, Ecke Mochowaja, eingelassen war, um Viertel zwölf stehen, und schließlich geschah es, daß in den Terrarien des Zoologischen Instituts zuerst acht Prachtexemplare von Laubfröschen, sodann fünfzehn gemeine Kröten und zu guter Letzt ein einzigartiges Exemplar der Surinam-Kröte die Perturbationen des berühmten Jahres nicht aushielten und eingingen.
    Unmittelbar nach den Kröten, mit denen die erste Ordnung der Lurche, zu Recht als Familie der Schwanzlosen bezeichnet, im Institut ausstarb, ging der unersetzliche Wächter, der alte Wlas, wiewohl nicht zur Klasse der Lurche gehörend, in die bessere Welt ein. Seine Todesursache war übrigens die gleiche wie bei den armen Lurchen, und Persikow diagnostizierte sie sofort: »Futtermangel.«
    Der Gelehrte hatte durchaus recht: Wlas hätte Mehl gebraucht so wie die Kröten Mehlwürmer, aber da das erstere nicht vorhanden war, blieben auch die letzteren aus. Persikow wollte die restlichen zwanzig Exemplare von Laubfröschen auf die Ernährung mit Schaben umstellen, aber auch die Schaben waren verschwunden, womit sie ihre bösartige Einstellung zum Kriegskommunismus bekundeten. So kam es, daß auch die letzten Laubfrösche in die Müllgrube auf dem Institutshof wanderten.
    Die Wirkung aller dieser Todesfälle, namentlich der Surinam-Kröte, auf Persikow läßt sich nicht beschreiben. Aus irgendwelchen Gründen gab er die Alleinschuld an dem Sterben dem damaligen Volkskommissar für Volksbildung.
    Jetzt stand er mit Mütze und Galoschen im Korridor des auskühlenden Instituts und sagte zu seinem Assistenten Iwanow, einem eleganten Gentleman mit weißblondem Spitzbart: »Ihn dafür umzubringen wäre noch viel zuwenig, Pjotr Stepanowitsch! Was machen die denn? Sie richten ja das Institut zugrunde! Etwa nicht? Ein einzigartiges männliches Exemplar der Pipa americana, dreizehn Zentimeter lang …«
    Es kam noch schlimmer. Nach dem Tode von Wlas froren die Institutsfenster dermaßen zu, daß auch die Innenscheiben der Doppelfenster mit Eisblumen bedeckt waren. Kaninchen, Füchse, Wölfe, Fische und sämtliche Nattern gingen ein. Persikow sprach tagelang kein Wort, dann erkrankte er an Lungenentzündung, starb jedoch nicht. Nachdem er sich wieder erholt hatte, erschien er zweimal wöchentlich im Institut und hielt in dem runden Saal, in dem unabhängig von der Außentemperatur stets fünf Grad Frost herrschten, bekleidet mit Galoschen, Ohrenklappenmütze und Halstuch, weißen Dampf ausatmend, vor acht Hörern eine Vorlesungsreihe zum Thema »Die Kriechtiere der heißen Zone«. Die übrige Zeit lag er auf dem

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