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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Sofa bei sich in der Pretschistenka, wo die Zimmerwände bis zur Decke mit Büchern vollgestopft waren, zugedeckt mit einem Plaid, starrte hustend in den Rachen des brennenden Öfchens, welches Marja Stepanowna mit vergoldeten Stühlen heizte, und gedachte der Surinam-Kröte.
    Doch alles auf der Welt hat einmal ein Ende. Das Jahr 1920 verging, auch das Jahr 1921, und 1922 begann eine Art Rückwärtsbewegung. Anstelle des verblichenen Wlas erschien Pankrat, ein noch junger, aber zu großen Hoffnungen berechtigender Institutswächter, und das Institut wurde ein wenig geheizt. Im Sommer fing Persikow mit Pankrats Hilfe an der Kljasma 14 Stück gemeine Kröten. In den Terrarien brodelte neues Leben. 1923 las Persikow schon wieder achtmal wöchentlich – dreimal im Institut und fünfmal an der Universität –, 1924 dreizehnmal wöchentlich und außerdem noch an Arbeiterfakultäten, und im Frühjahr 1925 wurde er dadurch berühmt, daß er bei den Examina sechsundsiebzig Studenten durchrasseln ließ, alle wegen der Lurche.
    »Was, Sie wissen nicht, wodurch sich die Lurche von den Kriechtieren unterscheiden?« fragte er. »Das ist doch geradezu lächerlich, junger Mann. Die Lurche haben keine Dauernieren. Die fehlen bei ihnen. So ist das. Schämen Sie sich! Sie sind doch gewiß Marxist?«
    Der Gepeinigte bejahte erlöschend.
    »Also, dann kommen Sie bitte im Herbst wieder«, sagte Persikow höflich und rief Pankrat munter zu: »Der nächste!«
    So wie Amphibien nach langer Dürre wieder aufleben, sobald der erste reichliche Regen fällt, lebte Professor Persikow 1926 auf, als die Vereinigte Amerikanisch-Russische Gesellschaft, beginnend in der Gasetny-Gasse, Ecke Twerskaja, mitten in Moskau 15 fünfzehnstöckige Häuser und am Stadtrand 300 Arbeiterhäuser zu je 8 Wohnungen erbaute und damit ein für allemal die fürchterliche und lächerliche Wohnungskrise beendete, die den Moskauern in den Jahren 1919–1925 dermaßen zugesetzt hatte.
    Es war überhaupt ein großartiger Sommer in Persikows Leben, und manchmal rieb er sich, zufrieden kichernd, die Hände, wenn er daran zurückdachte, wie er sich mit Marja Stepanowna in zwei Zimmer hatte quetschen müssen. Jetzt hatte er die anderen drei wieder und konnte sich mit seinen zweieinhalbtausend Büchern, den ausgestopften Tieren, Diagrammen und Präparaten ausbreiten. Er knipste die grüne Lampe auf seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer an.
    Das Institut war gleichfalls nicht wiederzuerkennen. Man hatte es cremefarbig gestrichen, hatte eine Wasserleitung ins Zimmer der Lurche gelegt und sämtliche Scheiben durch Spiegelgläser ersetzt, fünf neue Mikroskope, Präpariertische aus Glas, 2 000-Watt-Lampen mit indirektem Licht, Scheinwerfer und Schränke waren eingetroffen.
    Persikow lebte auf, und davon erfuhr überraschend die ganze Welt, als im Dezember 1926 seine Broschüre erschien: »Noch einmal zur Frage der Vermehrung der Käferschnecken«, 126 S., in: »Veröffentlichungen der IV. Universität«.
    Und im Herbst 1927 erschien eine kapitale Arbeit von 350 Seiten, die wurde in sechs Sprachen übersetzt, darunter ins Japanische: »Embryologie der Pipas, Knoblauchkröten und Frösche«, Preis 3 Rubel. Staatsverlag.
    Im Sommer 1928 jedoch geschah das Unwahrscheinliche, Entsetzliche …

Zweites Kapitel
Der bunte Schnörkel
    Also, der Professor knipste die Lampe an und sah sich um. Er knipste auch den Scheinwerfer über dem langen Experimentiertisch an, zog den weißen Kittel über, klirrte mit den Geräten auf dem Tisch.
    Viele der dreißigtausend mechanischen Droschken, die im Jahre achtundzwanzig in Moskau liefen, sausten knarrend über das glatte Holzpflaster der Herzenstraße, und allminütlich rollte polternd und klirrend eine Straßenbahn der Linie 16, 22, 48 oder 53 die Herzenstraße hinunter zur Mochowaja. Sie warf bunte Lichtreflexe in die Spiegelscheiben des Arbeitszimmers, und weithin war neben der schweren dunklen Turmkuppel der Erlöserkirche die hochstehende, dunstig-weiße Mondsichel zu sehen.
    Aber weder die Mondsichel noch der Lärm des frühlingshaften Moskau beschäftigten Professor Persikow auch nur im geringsten. Er saß auf seinem dreibeinigen Drehschemel und drehte mit tabakbraunen Fingern an der Grobeinstellung des wunderbaren Zeissmikroskops, in welches ein ungefärbtes frisches Amöbenpräparat eingespannt war. In dem Moment, als Persikow die Vergrößerung von fünf- auf zehntausendfach wechseln wollte, wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, es

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