Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
gelben Augenbrauen zusammen.
»Aha, aha«, brummte er, »weg. Verstehe. Ver-ste-he«, akzentuierte er wie übergeschnappt und blickte wissend zu der ausgeknipsten Kugel hoch, »ganz einfach.«
Wieder ließ er die Rouleaus herunter und machte Licht. Ein Blick ins Mikroskop, und sein Gesicht zeigte ein frohes und gleichsam räuberisches Grinsen.
»Soso«, sagte er triumphierend und gewichtig mit erhobenem Finger, »den halten wir fest. Aber vielleicht geht’s auch mit der Sonne.«
Wieder gingen die Rouleaus hoch. Die Sonne war jetzt zu sehen. Sie übergoß die Institutsmauern mit Licht und warf schräge Strahlen auf das Holzpflaster der Herzenstraße. Der Professor schaute hinaus, erwog, wo die Sonne tagsüber stehen mochte. Er trat zurück, näherte sich erneut dem Fenster, machte ein paar Tänzelschritte, legte sich endlich mit dem Bauch aufs Fensterbrett.
Nun begann eine wichtige und geheimnisvolle Arbeit. Der Professor stülpte einen Glassturz über das Mikroskop. Dann ließ er über der bläulichen Flamme des Bunsenbrenners ein Stück Siegellack zergehen und siegelte die Ränder des Glassturzes am Tisch fest, worauf er die Siegel mit dem Abdruck seines Daumens versah. Er löschte den Brenner, verließ das Zimmer und schloß das Sicherheitsschloß ab.
In den Institutskorridoren war Dämmerlicht. Der Professor ging zu Pankrats Zimmer und klopfte lange ohne Erfolg. Endlich hörte er durch die Tür ein Knurren wie von einem Kettenhund, gefolgt von Ächzen und Krächzen, dann erschien in gestreifter Unterhose mit Schnürbändern an den Knöcheln Pankrat. Seine Augen starrten den Gelehrten wild an, und er schnaufte schlaftrunken.
»Pankrat«, sagte der Professor mit einem Blick über die Brille hinweg, »entschuldige, daß ich dich geweckt habe. Hör zu, Freund, niemand darf mein Arbeitszimmer betreten. Ich habe dort eine Arbeit liegenlassen, die nicht verrückt werden darf. Verstanden?«
»Uuuh, ver-verstanden«, antwortete Pankrat, der nichts verstanden hatte. Er taumelte und knurrte.
»Nein, hör mal, du mußt aufwachen, Pankrat«, sagte der Zoologe und stieß ihm den Finger in die Rippen, was auf dessen Gesicht Schrecken und in dessen Augen einen Anflug von Denkfähigkeit auslöste. »Ich habe das Zimmer abgeschlossen«, fuhr Persikow fort, »es darf nicht aufgeräumt werden, bis ich wieder da bin. Verstanden?«
»Zu Befehl«, krächzte Pankrat.
»Na wunderbar; geh wieder schlafen.«
Pankrat wandte sich um, verschwand in der Tür und ließ sich aufs Bett fallen, der Professor aber zog im Vestibül seinen grauen Sommermantel an, setzte den weichen Hut auf, da hatte er wieder das Bild im Mikroskop vor Augen, er starrte auf seine Galoschen, sekundenlang, als sähe er sie zum erstenmal. Er stieg in die linke und wollte die rechte über die linke ziehen, doch das ging nicht.
»So ein ungeheuerlicher Zufall, daß er mich wegrief«, sagte der Gelehrte, »sonst hätt ich das nie entdeckt. Das kann ja sagenhafte Folgen haben!«
Er lachte auf, warf einen verkniffenen Blick auf die Galoschen, zog die linke aus und fuhr in die rechte. »Mein Gott, die Konsequenzen sind ja nicht abzusehen.« Der Professor gab der linken Galosche, die ihn verdroß, weil sie nicht auf die rechte draufpaßte, einen verächtlichen Stoß und ging nur in der einen zur Tür. Hier verlor er sein Taschentuch, er trat ins Freie, und die schwere Tür schlug hinter ihm zu. Auf der Vortreppe klopfte er lange seine Taschen nach Streichhölzern ab, fand welche und ging mit nichtangezündeter Zigarette im Mund die Straße entlang.
Bis zur Kirche begegnete dem Gelehrten kein Mensch. Er legte den Kopf in den Nacken und starrte zu dem goldenen Helm auf, den die Sonne wonnig beleckte.
»Wie kommt es bloß, daß ich das früher nicht gesehen habe? Ach, ich Idiot«, der Professor beugte sich vor und blickte versonnen auf seine unterschiedlich beschuhten Füße, »hm … was mach ich? Zurück zu Pankrat? Nein, den krieg ich nicht wach. Wegschmeißen das gemeine Ding ist auch schade. Trag ich sie eben.« Er zog die Galosche aus und nahm sie angewidert in die Hand.
Von der Pretschistenka kam ein uraltes Automobil mit drei Insassen. Zwei davon waren ziemlich bezecht, auf ihren Knien saß ein grellgeschminktes Frauenzimmer in seidener Pluderhose nach der Mode des Jahres achtundzwanzig.
»He, Opa!« rief sie mit tiefer, heiserer Stimme. »Wo haste denn die andre Galosche versoffen?«
»Der Zausel hat sich bestimmt im Alkazar vollaufen lassen«, johlte
Weitere Kostenlose Bücher