Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
zeigten sich ein Spitzbart und eine Lederschürze, und der Assistent rief: »Wladimir Ipatjewitsch, ich habe ein Gekröse präpariert, möchten Sie nicht mal schauen?«
Persikow glitt hurtig von seinem Schemel – die Schraube blieb auf halbem Wege stehen – und betrat, eine Zigarette in den Fingern knetend, das Zimmer seines Assistenten. Hier war auf dem Glastisch ein vor Angst und Schmerz halberstickter und halbtoter Frosch auf einer Korkunterlage gekreuzigt, und die glimmerartig durchsichtigen Eingeweide waren aus dem blutigen Leib ins Mikroskop eingeführt.
»Sehr schön«, sagte Persikow und brachte das Auge ans Okular des Mikroskops.
Offensichtlich war in den Eingeweiden des Froschs, wo, deutlich sichtbar, lebendige Blutkügelchen munter durch die Ströme der Gefäße flossen, etwas sehr Interessantes zu erkennen. Persikow vergaß seine Amöben und schaute anderthalb Stunden lang wechselweise mit Iwanow durch das Okular. Dabei tauschten die beiden Gelehrten lebhafte, für gewöhnliche Sterbliche jedoch unverständliche Worte.
Endlich löste sich Persikow vom Mikroskop und erklärte: »Nichts mehr zu machen, das Blut gerinnt.«
Der Frosch bewegte schwerfällig den Kopf, und in seinen verlöschenden Augen stand deutlich zu lesen: »Mistkerle seid ihr, jawohl …«
Persikow erhob sich, vertrat die steif gewordenen Beine und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück. Gähnend rieb er mit den Fingern die ewig entzündeten Augenlider, hockte sich dann auf den Drehschemel, blickte ins Mikroskop, hatte die Finger dabei an der Schraube und wollte sie schon drehen, hielt aber inne. Sein rechtes Auge sah eine mattweiße Scheibe und darin die verschwommenen weißen Amöben, in der Mitte der Scheibe jedoch saß ein bunter Schnörkel, wie eine Frauenhaarlocke anzuschauen. Diesen Schnörkel hatten Persikow und Hunderte seiner Studenten schon viele Male gesehen, der interessierte keinen, wozu auch. Das bunte Lichtbündelchen störte lediglich die Beobachtung und zeigte an, daß das Präparat nicht im Fokus lag. Darum wurde es gewöhnlich mit einer Schraubendrehung, die das Sichtfeld in gleichmäßig weißes Licht tauchte, erbarmungslos weggewischt. Die langen Finger des Zoologen lagen schon um die Schraube, doch plötzlich glitten sie zitternd ab. Der Grund dafür war Persikows rechtes Auge. Es war plötzlich hellwach, verblüfft, ja beunruhigt. Zum Schaden der Republik war es keine unbegabte Mittelmäßigkeit, die da am Mikroskop saß. Nein, da saß Professor Persikow! Sein ganzes Leben, all sein Denken konzentrierte sich in seinem rechten Auge. Wohl fünf Minuten lang beobachtete in steinernem Schweigen ein höheres Wesen ein niederes, und das Auge quälte sich angespannt über dem außerhalb des Fokus liegenden Präparat. Ringsum Stille. Pankrat in seinem Zimmer war schon eingeschlafen, und nur einmal klirrten in einiger Entfernung zart und melodisch die Glasschränke, als Iwanow beim Weggehen sein Arbeitszimmer verschloß. Die Haustür ächzte. Dann ertönte des Professors Stimme, doch wem er die Frage stellte, weiß man nicht: »Was ist denn das? Ich verstehe gar nichts …«
Ein verspäteter Lastwagen fuhr durch die Herzenstraße und erschütterte das alte Gemäuer des Instituts. Eine flache Glasschale mit Pinzetten klimperte auf dem Tisch. Erbleichend hielt der Professor die Hände über das Mikroskop wie eine Mutter über ihr Kind, wenn ihm Gefahr droht. Jetzt konnte keine Rede mehr davon sein, daß Persikow die Schraube drehte, o nein, er fürchtete bereits, eine unbekannte Gewalt könne das, was er sah, aus seinem Gesichtsfeld stoßen.
Es war ein heller Morgen, und ein goldener Streifen schnitt quer über den cremefarbenen Treppenvorbau des Instituts, als der Professor vom Mikroskop abließ und steifbeinig ans Fenster trat. Mit zitternden Fingern drückte er den Knopf, die dichten schwarzen Rouleaus schnurrten herunter und verbannten den Morgen aus dem Raum, und die weise gelehrte Nacht wurde wieder lebendig. Persikow, gelbgesichtig und beflügelt, stand breitbeinig da und starrte tränenden Auges aufs Parkett.
»Aber wie ist denn das möglich?« sagte er. »Das ist ja ungeheuerlich! Ungeheuerlich ist das, Herrschaften«, wiederholte er, an die Kröten in den Terrarien gewendet, allein, die Kröten gaben keine Antwort.
Der Professor schwieg, dann trat er zum Schalter, ließ die Rouleaus hochschnurren, löschte sämtliche Lichter und äugte ins Mikroskop. In sein Gesicht trat Spannung, er zog die buschigen,
Weitere Kostenlose Bücher