Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
durch als eine Kutscherpeitsche. Dieser denkwürdige Moment darf als der Beginn von Bellos Ausbildung gelten. Wieder draußen auf dem Gehsteig, überlegte er, daß »blau« nicht immer »Fleisch« bedeutet. Heulend und vor brennendem Schmerz den Schwanz zwischen die Hinterbeine klemmend, prägte er sich ein, daß bei allen Fleischläden links als erstes ein goldener oder rötlicher Krakel steht, der an einen Galgen erinnert.
Weiterhin lief es besser. Den Buchstaben N lernte er bei dem »Fischladen« Ecke Mochowaja-Straße, dann folgte das E (denn er mußte sich beim hinteren Ende des Wortes »Fischladen« heranpirschen, weil am Anfang des Wortes ein Milizionär stand).
Die viereckigen Kacheln, mit denen Moskauer Eckgeschäfte verkleidet waren, bedeuteten immer und unvermeidlich »Käse«. Der schwarze Samowarhahn an der Spitze bezeichnete den ehemaligen Besitzer Tschitschkin und Berge von rotem Holländer Käse wie auch Bestien von Verkäufern, die die Hunde haßten, Sägespäne auf dem Fußboden und scheußlich stinkende Backsteine.
Wo Harmonika gespielt wurde, was etwas schöner klang als die »holde Aida«, und es nach Würstchen roch, fügten sich die ersten Buchstaben auf den weißen Plakaten ganz bequem zu dem Wort »Keine …«, was bedeutete: »Keine unanständigen Wörter gebrauchen und keine Trinkgelder geben.« Hier brachen manchmal wüste Schlägereien aus, die Menschen droschen sich mit Fäusten ans Maul, selten freilich – die Hunde aber kriegten es immer – mit Servietten oder Stiefeln.
Wenn in den Fenstern abgelagerte Schinken hingen und Mandarinen auslagen … wau, wau … Feinkost. Wenn es dunkle Flaschen mit übler Flüssigkeit waren … W – e – i – ne, Weine. Das ehemalige Geschäft der Brüder Jelissejew.
Der unbekannte Herr, der den Köter zur Tür seiner Luxuswohnung in der Beletage mitgenommen hatte, läutete, und sogleich hob der Hund den Blick zu dem großen schwarzen Schild mit den Goldbuchstaben neben der breiten Tür mit dem rosa Riffelglas. Die drei ersten Buchstaben setzte er sogleich zusammen: P – r – o –, Pro. Dann folgte ein Mistding mit zwei Häkchen, das er nicht kannte.
Womöglich Proletarier? dachte Bello verwundert. Das kann nicht sein. Er hob die Nase, beschnupperte noch einmal den Pelz und dachte überzeugt: Nein, das riecht nicht nach Proletarier. Das Wort sieht gelehrt aus, aber weiß Gott, was es bedeutet.
Hinter dem rosa Glas flammte auf einmal freudiges Licht auf und verdunkelte das schwarze Schild noch mehr. Die Tür öffnete sich vollkommen geräuschlos, und eine schöne junge Frau mit weißer Schürze und Spitzenhäubchen stand vor dem Hund und seinem Herrn. Den ersten umwehte göttliche Wärme, und der Rock der Frau roch nach Veilchen.
Das ist gut, das gefällt mir, dachte der Hund.
»Bitte einzutreten, Herr Bello«, sagte der Herr ironisch, und Bello trat selig, schwanzwedelnd ein.
Eine große Zahl von Gegenständen füllte die prachtvolle Diele. Was sich sogleich einprägte, war ein Spiegel bis zum Fußboden, der einen zweiten verwahrlosten und zerrauften Bello zeigte, außerdem ein beängstigendes Hirschgeweih hoch droben, zahllose Pelze und Galoschen und an der Decke eine opalfarbene Lampenschale mit elektrischem Licht.
»Wo haben Sie denn den her, Filipp Filippowitsch?« fragte die Frau lächelnd und half dem Herrn aus dem schweren schwarzbraunen, bläulich glitzernden Fuchspelz. »Du meine Güte, er ist ja räudig!«
»Red keinen Unsinn. Wo ist er räudig?« fragte der Herr streng und abgehackt.
Nachdem er abgelegt hatte, zeigte er sich in einem schwarzen Anzug aus englischem Tuch, und auf seinem Bauch blinkte freudig eine goldene Kette.
»Warte, spring nicht herum, ft … Halt doch mal still, du Dummchen. Hm! Das ist keine Räude. Stillhalten, du Satan … Hm! Aha. Eine Verbrühung. Welcher Halunke hat dich denn so verbrüht? Na? Steh doch still!«
Der Koch, dieser Zuchthäusler! sagte der Hund mit jammervollem Blick und heulte ein wenig.
»Sina«, befahl der Herr, »sofort ins Untersuchungszimmer mit ihm, und meinen Kittel.«
Die Frau pfiff und schnippte mit den Fingern, und der Hund folgte ihr zögernd. Zu zweit durchquerten sie einen matt erleuchteten Korridor, gingen an einer lackierten Tür vorbei und kamen am Ende links in ein dunkles Kämmerchen, das mit seinem unheildrohenden Geruch dem Hund sogleich mißfiel. Die Dunkelheit verwandelte sich mit einem Knack in blendendhelles Tageslicht, das von allen Seiten
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