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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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er hat doch gar keine Galoschen, Filipp Filippowitsch«, wollte der Gebissene widersprechen.
    »Das stimmt nicht!« antwortete der Professor mit Donnerstimme und schenkte sich ein Glas Wein ein. »Hm … ich mag nach dem Essen keine Liköre, sie machen einen träge und greifen die Leber an … Es stimmt nicht! Er hat jetzt Galoschen, und diese Galoschen sind meine! Es sind genau die Galoschen, die am 13. April 1917 verschwunden sind. Nun fragt sich, wer hat sie entwendet? Ich? Das kann nicht sein. Der Burshui Sablin?« Der Professor zeigte zur Decke. »Lächerliche Vorstellung. Der Zuckerfabrikant Polosow?« Der Professor zeigte zur Seite. »Gewiß nicht! Das waren diese Sänger. Jawohl! Wenn sie sie wenigstens auf der Treppe ausziehen würden!« Der Professor lief rot an. »Weshalb zum Teufel sind die Blumen von den Treppenabsätzen entfernt worden? Weshalb geht das elektrische Licht, das, wenn ich mich recht entsinne, im Verlauf von zwanzig Jahren nur zweimal erloschen ist, gegenwärtig genau einmal im Monat aus? Doktor Bormental, die Statistik ist was Entsetzliches. Sie kennen meine letzte Arbeit und wissen das besser als jeder andere.«
    »Die Zerrüttung, Filipp Filippowitsch.«
    »Nein«, widersprach der Professor mit Überzeugung. »Nein. Sie, lieber Iwan Arnoldowitsch, sollten als erster auf den Gebrauch dieses Wortes verzichten. Es ist ein Trugbild, Rauch, Fiktion.« Der Professor spreizte die kurzen Finger, wovon zwei Schatten wie Schildkröten übers Tischtuch krochen. »Was ist das, Ihre Zerrüttung? Eine alte Frau mit Krückstock? Eine Hexe, die sämtliche Scheiben zerschlagen und sämtliche Lampen gelöscht hat? Die gibt’s doch gar nicht. Was verstehen Sie unter diesem Wort?« fragte er wütend die unglückliche Pappente, die mit den Füßen nach oben neben dem Büfett hing, und gab statt ihrer die Antwort: »Ich will es Ihnen sagen: Wenn ich, statt zu operieren, jeden Abend anfange, in meiner Wohnung Chorgesänge zu veranstalten, beginnt bei mir die Zerrüttung. Wenn ich in der Toilette, entschuldigen Sie den Ausdruck, am Becken vorbeipinkele und wenn Sina und Darja Petrowna es ebenso machen, beginnt in der Toilette die Zerrüttung. Folglich fängt die Zerrüttung nicht in den Toiletten an, sondern in den Köpfen. Also, wenn diese Holzköpfe ›Nieder mit der Zerrüttung!‹ schreien, kann ich nur lachen.« Das Gesicht des Professors verzerrte sich dermaßen, daß der Gebissene den Mund aufriß. »Ich schwöre Ihnen, dann muß ich lachen! Es bedeutet, daß jeder von denen sich selbst eins ins Genick hauen müßte! Und wenn er dann die Weltrevolution, Engels und Nikolaus Romanow, die unterdrückten Malaien und sonstige Halluzinationen aus sich herausgeklopft hat und sich ans Aufräumen der Schuppen macht, was seine eigentliche Arbeit ist, dann hört die Zerrüttung ganz von selbst auf. Zwei Göttern kann man nicht dienen! Es ist unmöglich, gleichzeitig die Straßenbahnschienen sauber zu fegen und irgendwelchen spanischen Hungerleidern das Schicksal erleichtern zu wollen! Das kann keiner, Doktor, und schon gar nicht können es Menschen, die in ihrer Entwicklung zweihundert Jahre hinter den Europäern zurück sind und bis auf den heutigen Tag ihre eigenen Hosen nicht richtig zuknöpfen!«
    Der Professor hatte sich in Eifer geredet. Die Flügel seiner Habichtsnase blähten sich. Nach dem üppigen Essen hatte er Kräfte gewonnen, er tönte wie ein Prophet im Altertum, und sein Kopf glänzte silbern.
    Seine Worte trafen den schläfrigen Hund wie dumpfe Erdstöße. In seinen Träumen sah er bald die Eule mit den dummen gelben Augen, bald die widerliche Visage des Henkers mit der schmutzigen weißen Mütze, bald den verwegenen Schnauzbart des Professors, von der Lampe hell beleuchtet, bald einen schläfrigen Schlitten, der knirschend verschwand. In seinem Hundemagen wurde, in Saft schwimmend, das zerkaute Stück Roastbeef verdaut.
    Er könnte als Volksredner sein Geld verdienen, dachte der Hund im Traum, er ist ein erstklassiger Könner. Im übrigen scheint es ihm auch so nicht schlecht zu gehen.
    »Ein Schutzmann!« schrie der Professor. »Ein Schutzmann!« Im Gehirn des Hundes platzten irgendwelche Blasen. Huuuuuh … »Ein Schutzmann! Das ist das einzige. Und es ist völlig gleich, ob er ein Blechschild trägt oder einen roten Tschako. Neben jeden Menschen einen Schutzmann stellen, der die gesanglichen Ausschreitungen unserer Bürger einschränken muß. Und Sie reden von Zerrüttung! Ich sage Ihnen,

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