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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Doktor, in unserm Haus und in jedem anderen Haus wird sich nichts zum Besseren verändern, solange diese Sänger nicht zum Schweigen gebracht sind! Erst wenn die ihre Konzerte einstellen, kann es besser werden.«
    »Sie führen konterrevolutionäre Reden, Filipp Filippowitsch«, bemerkte der Gebissene scherzhaft, »wenn das bloß gottbehüte niemand hört.«
    »Keine Gefahr«, widersprach der Professor feurig. »Keine Konterrevolution. Das ist übrigens noch solch ein Wort, das ich überhaupt nicht ertragen kann. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was dahintersteckt! Weiß der Teufel! Ich sage Ihnen, in meinen Worten ist keinerlei Konterrevolution. Sie sind gesunder Menschenverstand und Lebenserfahrung.«
    Der Professor zog den Zipfel der glänzenden Serviette aus dem Kragen, knüllte sie zusammen und legte sie neben das halbvolle Rotweinglas. Der Gebissene erhob sich sogleich und bedankte sich.
    »Einen Moment, Doktor!« hielt der Professor ihn zurück und holte die Brieftasche hervor. Mit eingekniffenen Augen zählte er helle Geldscheine ab und reichte sie dem Gebissenen mit den Worten: »Sie haben heute vierzig Rubel zu bekommen, Iwan Arnoldowitsch. Bitte.«
    Der vom Hund Geschädigte dankte höflich und steckte das Geld errötend in die Jackentasche.
    »Brauchen Sie mich heute abend noch, Filipp Filippowitsch?« erkundigte er sich.
    »Nein, ich danke Ihnen, mein Bester. Heute machen wir nichts mehr. Erstens ist das Kaninchen krepiert, und zweitens gibt’s heute im Bolschoitheater ›Aida‹. Die habe ich lange nicht gehört. Ich mag sie sehr. Erinnern Sie sich? Das Duett … Ta-di-da-da.«
    »Wie schaffen Sie das bloß alles, Filipp Filippowitsch?« fragte der Arzt respektvoll.
    »Man schafft alles, wenn man nichts überstürzt«, dozierte der Hausherr. »Natürlich, wenn ich von einer Sitzung zur anderen laufe und den ganzen Tag singe wie eine Nachtigall, statt mich mit meiner eigentlichen Aufgabe zu beschäftigen, dann schaffe ich gar nichts.« Unter den Fingern des Professors in seiner Tasche klangen die Himmelstöne der Repetieruhr. »Kurz nach acht. Zum zweiten Akt komme ich zurecht. Ich bin für Arbeitsteilung. Im Bolschoitheater sollen sie singen, und ich operiere. Dann ist es gut. Dann gibt es keine Zerrüttung. Also, Iwan Arnoldowitsch, bleiben Sie dran – sobald ein geeigneter Toter da ist, vom Tisch sofort in die Nährlösung und zu mir!«
    »Keine Sorge, Filipp Filippowitsch, der Pathologe hat es mir versprochen.«
    »Ausgezeichnet. Einstweilen werden wir diesen Neurotiker von der Straße beobachten und pflegen. Soll erst mal seine verbrühte Seite verheilen.«
    Er sorgt sich um mich, dachte der Hund, er ist ein sehr guter Mensch. Ich weiß, wer er ist. Er ist der Magier und Zauberer aus dem Hundemärchen. Es kann ja nicht sein, daß ich alles träume. Aber vielleicht doch? (Er zuckte im Schlaf.) Wenn ich aufwache … ist das alles weg. Die Lampe mit dem Seidenschirm, die Wärme, die Sattheit. Wieder der Torweg, die irrsinnige Kälte, der vereiste Asphalt, der Hunger, die bösen Menschen … Kantine, Schnee … Mein Gott, schwer wird das sein!

4
    Aber nichts davon geschah. Im Gegenteil, der Torweg war dahin wie ein böser Traum und kam nicht wieder.
    Mit der Zerrüttung schien es nicht gar so schlimm zu sein. Trotz der Zerrüttung füllten sich die grauen Harmonikas unter den Fensterbrettern zweimal täglich mit Hitze und sandten Wärmewellen durch die ganze Wohnung.
    Es war völlig klar: Der Hund hatte das große Hundelos gezogen. Seine Augen verströmten jetzt mindestens zweimal am Tag dankbare Tränen an die Adresse des Weisen von der Pretschistenka. Außerdem zeigten die großen Wandspiegel im Salon und in der Diele zwischen den Schränken einen erfolgreichen, schönen Hund.
    Ich bin schön. Vielleicht bin ich ein unbekannter Hundeprinz inkognito, dachte der Hund und betrachtete den struppigen kaffeebraunen Köter mit der zufriedenen Schnauze, der in den Tiefen des Spiegels spazierenging. Womöglich ist meine Großmutter mit einem Neufundländer fremdgegangen. Auf meiner Schnauze ist ja ein weißer Fleck. Wo mag der herkommen? Der Professor hat einen guten Geschmack, der würde nicht den erstbesten Hofhund nehmen.
    Im Verlauf einer Woche hatte der Hund so viel gefressen wie in den anderthalb Hungermonaten zuvor auf der Straße. Das zur Menge. Über die Qualität des Essens beim Professor brauchte man nicht zu reden. Wenn man schon außer acht ließ, daß Darja Petrowna täglich auf dem

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