Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Die Morgenzeitungen brachten eine merkwürdige Notiz. »Die Gerüchte über einen Marsmenschen in der Obuchow-Gasse entbehren jeder Grundlage. Sie wurden von den Händlern des Sucharjowka-Marktes aufgebracht. Darauf stehen strenge Strafen.« Was für ein Marsmensch, verdammt noch mal? Das ist ja ein Alptraum.
Noch besser die Abendzeitung, dort stand, es sei ein Kind geboren worden, das Geige spielen könne. Dazu eine Zeichnung – eine Geige und ein Photo von mir, darunter steht: »Prof. Preobrashenski, der bei der Mutter einen Kaiserschnitt vorgenommen hat.« Es ist nicht zu fassen … Er spricht ein neues Wort: »Milizionär.«
Es hat sich herausgestellt, daß Darja Petrowna in mich verliebt war und das Photo aus dem Album des Professors gemaust hatte. Nachdem wir die Reporter verjagt hatten, ist einer von ihnen in die Küche eingedrungen usw.
Was sich während der Sprechstunde abspielt! Heute hat es 82mal geklingelt. Telephon abgeschaltet. Die kinderlosen Damen sind ganz verrückt und rennen uns das Haus ein …
Das Hauskomitee erschien in voller Besetzung mit Schwonder an der Spitze. Wozu, wußten sie selber nicht.
8. Januar. Am späten Abend wurde die Diagnose gestellt. Der Professor gestand als echter Wissenschaftler einen Fehler ein – die Auswechslung der Hypophyse führt nicht zur Verjüngung, sondern zur völligen Vermenschlichung (dreimal unterstrichen). Das aber mindert die Bedeutung seiner verblüffenden, umwerfenden Entdeckung nicht im geringsten.
Heute erging er sich das erstemal in der Wohnung. Im Korridor lachte er, als er die elektrische Lampe sah. Dann begab er sich in Begleitung des Professors und meiner Person ins Arbeitszimmer. Er steht sicher auf den Hinterpfoten (durchgestrichen) Beinen und macht den Eindruck eines kleinen und schlechtgebauten Mannes.
Im Arbeitszimmer hat er gelacht. Sein Lächeln ist unangenehm und wirkt künstlich. Dann kratzte er sich den Hinterkopf, sah sich um, und ich notierte ein neues, deutlich ausgesprochenes Wort: »Burshuis«. Er fluchte. Sein Fluchen ist methodisch, ununterbrochen und allem Anschein nach ohne jeden Sinn. Es trägt einen etwas phonographischen Charakter: als ob dieses Wesen die Schimpfwörter früher irgendwo gehört, sie automatisch, unbewußt in seinem Gehirn notiert hat und sie jetzt bündelweise herausschleudert. Aber ich bin ja kein Psychiater, verdammt noch mal.
Auf den Professor macht das Fluchen einen sonderbar deprimierenden Eindruck. Es gibt Momente, da verläßt er die zurückhaltende und kühle Beobachtung neuer Erscheinungen und verliert gewissermaßen die Geduld. Als der Hund wieder mal fluchte, schrie er plötzlich nervös:
»Hör auf!«
Das hatte nicht die geringste Wirkung.
Nach dem Spaziergang im Arbeitszimmer wurde Bello mit vereinten Kräften ins Untersuchungszimmer befördert.
Danach hielten der Professor und ich eine Beratung ab. Zum erstenmal, ich muß es gestehen, sah ich diesen selbstsicheren und erstaunlich klugen Mann fassungslos. Nach seiner Gewohnheit trällernd, fragte er: »Was machen wir jetzt?« Und antwortete sich selbst wörtlich: »Moskauer Textilhandel, ja … Von Sevilla bis Granada. Textilhandel, lieber Doktor.« Ich verstand kein Wort. Er wurde deutlicher: »Ich bitte Sie, Iwan Arnoldowitsch, kaufen Sie ihm Wäsche, Hose und Jackett.«
9. Januar. Sein Wortschatz wird (im Schnitt) alle fünf Minuten um ein neues Wort reicher, seit heute früh auch um Sätze. Es ist, als wären sie in seinem Bewußtsein eingefroren, tauten jetzt auf und kämen heraus. Ein einmal herausgekommenes Wort bleibt in Gebrauch. Seit gestern abend hat der Phonograph aufgezeichnet: »Drängel nicht so«, »Du Strolch«, »Scher dich runter vom Trittbrett«, »Ich knall dir eine«, »Anerkennung Amerikas«, »Primuskocher«.
10. Januar. Die Ankleidung ist vollzogen. Das Unterhemd ließ er sich bereitwillig überziehen, lachte sogar vergnügt. Die Unterhosen lehnte er ab und kleidete seinen Protest in den heiseren Ruf: »Hinten anstellen, ihr Hundesöhne!« Er wurde angezogen. Die Socken sind ihm zu groß.
(Im Heft mehrere schematische Zeichnungen, die allem Anschein nach die Umwandlung der Hundepfote in einen menschlichen Fuß darstellen.)
Die hintere Hälfte des Fußknochens wird länger. Die Zehen strecken sich. Krallen.
Zum wiederholten Male systematischer Unterricht im Gebrauch der Toilette.
Das Stubenmädchen ist schon völlig mit den Nerven runter.
Aber auch die Auffassungsgabe des Wesens muß
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