Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
der völligen Dunkelheit bald an der Decke, bald an der Wand eine lodernde Fackel mit hellblauer Flackerkrone sah. Wenn er die Augen wieder öffnete, blendeten ihn am Fußboden die lichtersprühenden Lackstiefeletten mit den weißen Gamaschen.
Als ob er Galoschen anhat, dachte der Professor angewidert, holte tief Luft, schnaufte und widmete sich seiner erloschenen Zigarre. Der Mensch an der Tür warf ab und zu trübe Blicke auf ihn und rauchte eine Papirossa, wobei er sich das Vorhemd mit Asche bekleckerte.
Die Wanduhr neben dem hölzernen Haselhuhn schlug fünfmal. Dann klang in ihr etwas wie ein Stöhnen nach, als der Professor das Gespräch eröffnete:
»Habe ich nicht schon zweimal gebeten, nicht in der Küche beim Herd zu schlafen, und schon gar nicht tagsüber?«
Der Mann hüstelte heiser, als würgte ihn ein Knöchelchen, und antwortete:
»Ich mag die Luft in der Küche.«
Seine Stimme klang ungewöhnlich, etwas dumpf und zugleich hallend, als käme sie aus einem Fäßchen.
Der Professor schüttelte den Kopf und fragte:
»Wo kommt eigentlich diese Scheußlichkeit her? Ich meine den Schlips.«
Der Mensch folgte mit den Augen dem Finger, so daß sie über die vorgestülpte Unterlippe hinweg liebevoll nach dem Schlips schielten.
»Wieso Scheußlichkeit?« sagte er. »Der Schlips ist doch schick. Darja Petrowna hat ihn mir geschenkt.«
»Ein gräßliches Geschenk, so wie die Schuhe da. Was ist das für ein glänzender Blödsinn? Wo kommt das her? Worum hatte ich gebeten? An-stän-di-ge Schuhe, und was ist das? Hat die etwa Doktor Bormental ausgesucht?«
»Ich habe ihm gesagt, es müssen Lackschuhe sein. Bin ich schlechter als die Menschen? Gehen Sie auf den Kusnezki Most, da trägt alle Welt Lackschuhe.«
Der Professor drehte den Kopf und sagte nachdrücklich:
»Das Schlafen in der Küche hört mir auf. Verstanden? Was ist das für eine Frechheit! Sie stören die Frauen dort.«
Das Gesicht des Mannes lief dunkel an, die Lippen schoben sich vor.
»Ja, Frauen. Na wennschon! Diese feinen Fräuleins. Ganz gewöhnliche Dienstboten, aber angeben wie eine Kommissarsche. Sinachen hat mich verleumdet.«
Der Professor blickte streng.
»Unterstehen Sie sich, sie Sinachen zu nennen! Verstanden?«
Schweigen.
»Ob Sie verstanden haben, will ich wissen.«
»Ja.«
»Nehmen Sie diese Scheußlichkeit vom Hals. Sie … du … Sie sollten sich mal im Spiegel angucken, wie Sie aussehen. Wie ein Jahrmarktschreier. Und keine Zigarettenstummel auf den Fußboden werfen, ich sage es zum hundertstenmal. Und kein einziges Schimpfwort mehr in der Wohnung! Nicht ausspucken! Da steht der Spucknapf. Und benehmen Sie sich anständig im Pissoir. Die Gespräche mit Sina hören mir auf. Sie beklagt sich, daß Sie ihr im Dunkeln auflauern. Lassen Sie das! Und wer hat einem Patienten geantwortet ›weiß der Köter!‹? Glauben Sie, Sie sind hier in der Kneipe?«
»Sie engen mich irgendwie furchtbar ein, Väterchen«, sagte der Mann auf einmal weinerlich.
Der Professor lief rot an, seine Brille blitzte.
»Wer ist Ihr Väterchen? Was soll die plumpe Vertraulichkeit? Ich will das nie wieder hören! Reden Sie mich mit Vor- und Vatersnamen an!«
Der Mann zeigte eine freche Miene.
»Was haben Sie bloß andauernd … Nicht spucken. Nicht rauchen. Da nicht hingehen … Was soll das alles? Reinweg wie in der Straßenbahn. Lassen Sie mich doch in Ruhe! Und wegen ›Väterchen‹, das hätten Sie sich sparen können. Hab ich Sie gebeten, mich zu operieren?« Der Mann bellte empört. »Eine hübsche Geschichte! Erst schnappt man sich ein Tier, schneidet ihm mit dem Messer den Kopf auf, und dann ekelt man sich davor. Ich hab vielleicht gar nicht erlaubt, mich zu operieren. Ebensowenig« (der Mann blickte zur Zimmerdecke, wie um sich an eine bestimmte Formulierung zu erinnern), »ebensowenig meine Angehörigen. Ich hab vielleicht sogar das Recht, Sie zu verklagen.«
Die Augen des Professors wurden groß und rund, die Zigarre fiel ihm aus der Hand. Ist das ein Typ, ging es ihm durch den Kopf.
»Sie geruhen unzufrieden zu sein, daß ich einen Menschen aus Ihnen gemacht habe?« fragte er mit eingekniffenen Augen. »Sie möchten vielleicht lieber wieder bei den Müllgruben herumlaufen? In den Torwegen frieren? Nun, wenn ich das gewußt hätte …«
»Was reiben Sie mir dauernd die Müllgruben unter die Nase? Mein Stück Brot hab ich allemal erbeutet. Und wenn ich Ihnen unterm Messer geblieben wäre? Was haben Sie dazu zu sagen,
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