Teufels Küche
den B. S. mit General ansprach, obwohl Francine Keats fand, daß er gar nicht wie ein General aussah. Er sah wie dieser Mr. Bilgere aus, der sie in der Sonntagsschule in der Calvary-Baptist-Kirche unterrichtet hatte, als sie elf Jahre alt war.
»Tut mir leid, daß ich stören muß, B. S., aber –« Sie hielt inne und sah schüchtern auf den General.
»Aber was?« sagte Keats.
Der General hatte sich erhoben. Er verneigte sich sogar leicht. Francine Keats gefiel das. Sie schätzte jede Demonstration guter Manieren.
»Ich habe gerade mit Vee gesprochen und –«
Keats unterbrach seine Frau. »Bist du sicher, daß das nicht warten kann, Schatz. Wir sind hier sehr beschäftigt.«
Francine Keats erwiderte sehr hastig: »Ich meinte nur, es wäre besser, wenn du weißt, daß Vee nach Tucamondo hinunterfliegt, mit dem Mr. Citron, den du draußen in Kalifornien getroffen hast. Du weißt schon, dieser Junge, von dem du mir erzählt hast.«
Keats stand hinter seinem großen Teakholzschreibtisch auf und neigte sich seiner Frau entgegen, die Hände fest auf die mit Leder bespannte Schreibtischplatte gestützt. Als er sprach, klang seine Stimme gelassen, so gelassen und gedämpft und hart, daß Francine Keats unwillkürlich zur Tür zurückwich. »Wann?« fragte Keats. »Wann fliegt Velveta?« Er sah mit einem flüchtigen, um Verständnis bittenden Lächeln den General an. »Velveta ist meine Tochter.«
Der General nickte.
»Nun, sofort, hat sie gesagt.«
»Sofort kann in zwei Stunden heißen, Schatz, vielleicht auch am nächsten Tag.«
»Ich hatte den Eindruck, als ob sie auf dem Weg zum Flughafen wäre.«
»Aha«, sagte Keats. »Nun, vielen Dank, Francine. Danke, daß du gekommen bist und es mir gesagt hast. Ich weiß es zu schätzen.«
»Ich dachte, du solltest es vielleicht wissen«, sagte sie noch, wandte sich ab und verließ schnell den Raum.
Als sie fort war, setzte der sanftmütig wirkende General sich wieder und schlug die Beine übereinander. Er trug einen zweireihigen blauen Blazer und eine graue Hose aus sehr feinem leichten Flanell. An den Füßen hatte er schwarze, glatte Halbschuhe, die er sich noch in London hatte anfertigen lassen. Die hellbraunen Augen eines Sonntagsschullehrers bedeckte eine randlose Bifokalbrille. Sein Gesicht war rund und unauffällig. Sein graues Haar war dünn. Nur seine Stimme war bemerkenswert, ein tiefer, abgehackter Baß.
»Sie sagte doch Citron, glaube ich. Ihre Frau.«
Keats nickte und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
»Der Sohn von Gladys, nehme ich an.«
Wieder nickte Keats. »Ja, er ist wirklich der Sohn von Gladys.«
»Nun«, sagte der General. »Das stellt uns noch vor ein weiteres Problem, hmm?«
»Sie meinen meine Tochter?«
»Das Problem – oder die Frage – ist, wie ich es sehe, warum hat der junge Citron ihre Tochter aufgefordert, ihn zu begleiten, hmm?« Dieses angehängte »hmm« war eine Angewohnheit, die er von einem älteren Semester auf dem Militärinstitut von Virginia übernommen hatte, wohin sein Vater, der selber General gewesen war, ihn geschickt hatte, nachdem er seiner Augen wegen in West Point nicht aufgenommen worden war. Tatsächlich war der General ein Generaloberst, und er hieß Rafael Carrasco-Cortes. Er war sechsundfünfzig Jahre alt und freute sich auf einen überaus angenehmen Ruhestand. Jedoch schien die Finanzierung seiner Pension fast völlig von dem Mann abzuhängen, der hinter dem großen Schreibtisch in dem Raum mit von Büchern bedeckten Wänden saß. Der General war überzeugt, daß die Bücher alle ungelesen, wahrscheinlich niemals aufgeschlagen worden waren. Für den General war B. S. Keats gesellschaftlich minderwertig, gerissen vielleicht, aber grobschlächtig und unwissend und natürlich gefährlich. B.S. Keats dachte an Carrasco-Cortes unweigerlich als an den Bohnenfressergeneral. Ihre gegenseitige Verachtung bildete die Basis einer merkwürdig effektiven Partnerschaft.
»Sie wollen wissen, warum Citron meine Tochter mitgenommen hat«, fragte Keats. »Na ja, das ist ganz einfach. Vermutlich wird er sie noch ein paarmal ficken wollen, das ist der Grund.« Keats lächelte, als der General peinlich berührt sein Gesicht verzog, und fuhr fort: »Das ist das eine, und zweitens würde ich sagen, könnte er meinen, daß sie ihm vielleicht als eine Art Geisel nützlich sein könnte. Ich rechne nicht damit, daß der Bursche mir völlig vertraut, trotz all der Mühe, die ich mir gegeben habe, ihn
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