Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
doch man spürte, wie viel Kraft die junge Frau an manchen Tagen aufbringen musste, um Beruf und Privates unter einen Hut zu bringen.
»Hat sie dir die Geschichte mit dem Typen von der Caritas erzählt?«, fragte Hellmer und hob die Augenbrauen.
»Ich dachte, er käme von der Diakonie«, antwortete Julia, »aber ja. Sabine hat es mit Humor genommen, und der junge Mann offensichtlich auch, na ja, wer weiß, was er sonst mit den Patienten erlebt, die in der Tagesklinik ein und aus gehen. Leider taucht Sabines Mutter dort ja nur unregelmäßig auf.«
»Bewundernswert jedenfalls«, erwiderte Frank, und Julia wusste, dass er in diesem Moment seine eigene Situation mit der Sabine Kaufmanns verglich. Frank Hellmers Tochter Steffi war schwerstmehrfachbehindert, wie der Fachjargon dafür lautete, und würde ihr ganzes Leben auf die Hilfe Dritter angewiesen sein. Und doch wirkte es weniger seltsam als der Umstand, als Kind seine Mutter pflegen zu müssen, während diese sich eigentlich um die Belange ihres Kindes hätte kümmern müssen.
»Wie auch immer«, kürzte Julia ihre Gedanken ab, »Sabine hat meine volle Unterstützung, was auch immer sie braucht. Das ist das mindeste, was wir tun können, denn wenn sie sich hier einbringt, gibt sie immer hundert Prozent.«
»Hast du etwa Angst, dass Brandt sie abwirbt?«, flachste Hellmer. »Bei denen ist eine Stelle vakant, wie man hört.«
»Du hörst auch das Gras wachsen, wie?«
»Möglich.«
»Ein weiterer Grund, weshalb ich dich unbedingt zu den Cramers mitnehmen möchte«, gab Julia zurück und zuckte augenblicklich zusammen. Doch es war zu spät.
»Cramer?«, fragte Hellmer langgezogen.
»Scheiße«, flüsterte die Kommissarin kopfschüttelnd, dann erklärte sie ihrem Kollegen: »Na, ich hätt’s dir draußen ohnehin sagen müssen, oder spätestens, wenn wir dort vorgefahren wären. Mir geht die ganze Geheimniskrämerei ohnehin auf den Keks.«
»Und wir reden von dem Cramer, ja?«, erkundigte Hellmer sich argwöhnisch.
»Ja, verdammt, und es schmeckt mir überhaupt nicht. Berger und er sind offenbar befreundet, jedenfalls gehen sie sehr vertraut miteinander um.«
»Was nicht verwerflich ist«, gab Hellmer zu bedenken.
»Nein, natürlich nicht. Ich möchte unserem Boss auch nicht unterstellen, dass er sich auf krumme Touren einlassen würde, nur um einen Freund zu schützen, aber ich denke, ihm fehlt dennoch der objektive Blick. Wenn es später darum geht, bei der Staatsanwaltschaft in die Bresche zu springen, kann er meinetwegen tun, was er für richtig hält. Aber die Ermittlung möchte ich mit jemandem führen, dem ich in dieser Hinsicht vertrauen kann. Außerdem«, Julia zwinkerte verstohlen, »haben wir im laufenden Fall bisher kaum zusammengearbeitet.«
»Gib’s ruhig zu, dir geht der Porsche ab«, lachte Hellmer.
»Brandts Alfa ist gar nicht übel.« Julia tat völlig unbeeindruckt. »Porsche fährt ja mittlerweile fast jeder.«
»Seit es den Boxster gibt, ist es zumindest deutlich mehr geworden«, nickte Hellmer. »Aber schon gut, ich habe verstanden. Dir geht es nicht um das Auto, sondern um meinen messerscharfen und einzigartigen Verstand. Prima. Den stelle ich dir hiermit gerne zur Verfügung, aber fahren müsstest du dann halt selbst.«
»Wie?«
»Spaß beiseite, ich will im Anschluss gerne möglichst ohne Umwege nach Hause. Direttissima, wie die Italiener sagen.« Hellmer machte jene typische südländische Geste mit der rechten Hand, in der Daumen und Zeigefinger aufeinander lagen und das Handgelenk im Takt der Worte hin und her wippte.
»Das geht klar. Ich möchte nur einen Mann mit im Boot haben, falls Michael mir gegenüber dichtmacht. Bei diesem Vorfall mit der Hausmann spielte möglicherweise ganz profanes sexuelles Versagen eine Rolle. Bisher hat er sich da stets elegant darumgewunden, aber jetzt müssen wir möglicherweise konkret darüber sprechen.«
»Kein Problem. Wie ist der Junge denn so drauf?«
»Nun ja, nach außen hin ein wohlbehütendes Elternhaus, aber es gibt einen Vaterkonflikt, die Mutter scheint teilnahmslos, vielleicht hat sie resigniert«, fasste die Kommissarin knapp zusammen. »Was sich sonst noch abgespielt hat, weiß ich nicht, aber der Junge wird schon seit geraumer Zeit auf der Suche nach Ersatzidolen gewesen sein. Also jemand, der äußerst empfänglich für Demagogen wie Lutz Wehner gewesen sein dürfte.«
»Der Wehner soll ein Demagoge sein? Na, ich weiß nicht.«
»Für eine bestimmte Klientel schon«,
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