Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Vorwürfe gemacht, wir haben uns die meiste Zeit darüber unterhalten, wie viele Dinge wir in der Erziehung falsch gemacht haben. Völlig absurd, aber so und nicht anders ist das Gespräch verlaufen.«
»Mir erschließt sich noch immer nicht, weshalb sie die Anzeige zurückgezogen haben«, murmelte Julia stirnrunzelnd.
»Na ja, ich habe schon ein wenig gepokert«, gestand Cramer ein.
»Inwiefern? Haben Sie ihr Geld angeboten?«
»Nein. Hat sie das etwa behauptet?«
»Was dann?«
»Ich habe ihr gesagt, dass Michael in die Fänge eines gefährlichen Rädelsführers geraten ist, der, wenn wir ihn nicht zur Räson bringen, mit solchen Überfällen nicht aufhören würde. Ich habe es dabei unter Umständen wohl so formuliert, dass auch ihr eigener Laden davon betroffen sein könnte.«
»Was völlig an den Haaren herbeigezogen ist«, warf Hellmer ein.
»Ist es das? Können Sie das beschwören?«
»Nun«, sagte Julia, »Sie haben die Wahrheit sehr zu Ihren Gunsten verdreht, da gibt es nichts zu beschönigen. Wie wären Sie in Ihrer Laufbahn als Jurist mit einem solchen Fall umgegangen? Hätten Sie das einem Angeklagten durchgehen lassen?«
»Nein, natürlich nicht«, stimmte Cramer ihr zu. »Aber können Sie ausschließen, dass der Laden Ziel weiterer Überfälle sein könnte?«
Anwalt vom Scheitel bis zur Sohle, dachte Julia verbissen und antwortete kühl: »Nein. Aber solche Gedankenspiele bringen uns nicht weiter. Haben Sie Frau Hausmann darüber hinaus Zugeständnisse gemacht?«
»Außer dem Ehrenwort, dass Michael Verantwortung für seine Tat übernehmen würde, nein«, erwiderte Cramer kopfschüttelnd. »Ich habe ihr angeboten, mich zu kontaktieren, nicht im Büro, versteht sich, aber sie wollte keinen weiteren Kontakt. Und auch sonst nichts, bevor Sie fragen«, fügte er rasch hinzu.
»Hm. Haben Sie denn auch bereits eine Idee, wie diese Verantwortung aussehen soll?«, erkundigte die Kommissarin sich.
»Um ehrlich zu sein, nein. Kommt auf den Deal an, den die Staatsanwaltschaft mit Michael wegen der Schießerei machen wird. Er ist ja praktisch Kronzeuge.«
»Na, so einfach ist das nicht«, warf Hellmer ein. »Immerhin war er bereit, seine Waffe gegen einen Fremden zu richten, unabhängig davon, was danach geschah.«
»Aber Wehner hat ihn doch dazu …«
»Nein, Michael kann sich nicht mit Wehner rausreden«, unterbrach Julia ihr Gegenüber. Cramer war mittlerweile weitaus unsicherer als zu Beginn, seine Hände huschten permanent hin und her, mal kratzte er sich an der Nase, mal zupfte er an seiner Hose, mal fuhr er sich durchs Haar. »Sie kennen das Gesetz wahrscheinlich besser, als wir es aus dem Stegreif zitieren könnten. Sie wissen also, dass die Aussage Ihres Sohnes juristisch betrachtet nichts weiter ist als die Wahrnehmung von Tatsachen. Seine Wahrnehmung. Ob das Gericht ihm Glauben schenken wird, bleibt abzuwarten, denn seine Aussage ist nicht nur belastend gegenüber einem anderen, sondern vor allem auch entlastend gegenüber ihm selbst. Weder Wehner hat bislang ausgesagt, noch können die Indizien zweifelsfrei belegen, wie stark er durch Wehner fremdgesteuert wurde. Ich kann es nur wiederholen: Abgedrückt hat Michael immer noch mit eigener Hand. Warum ist er nicht vorher weggelaufen?«
»Mit einem bewaffneten Mann neben sich?«, gab Cramer zurück.
»Bewaffnet war Wehner auch noch, als das Opfer am Boden lag«, entgegnete Julia. »Aber mit all diesen Fragen wird er sich konfrontiert sehen, und er wird sich auch dem Vorwurf stellen müssen, dass er von seiner Aussage als Einziger profitiert. Er hat sich ja nicht aus reiner Bürgerpflicht an Sie gewendet, nicht wahr?«
»Wer würde das schon.«
»Ich erwarte jedenfalls von Ihnen, Herr Cramer, dass Sie keinen Druck auf die Staatsanwaltschaft ausüben. Ihre Position erlaubt es Ihnen, Ihren Sohn aus allem herauszupauken, und glauben Sie mir, das bekäme ich mit. Dafür habe ich mich nicht von Berger vor den Karren spannen lassen.«
»Das habe ich überhaupt nicht vor«, beharrte Cramer und ging hinüber zum Spirituosenschrank, wo er sich ein Glas Whiskey einschenkte, es zur Hälfte leerte und sofort wieder füllte. Dabei sprach er weiter: »Michael soll eine Konsequenz tragen, alles andere wäre pädagogisch und psychologisch völliger Blödsinn. Er leidet darunter, haben Sie das nicht gesehen? Ohne eine Form der Sühne kann er dieses Kapitel nicht abschließen.« Er kehrte zu seinem Platz zurück. »Aber es darf keine Klage wegen eines
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