Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
beiden einzigen Dinge, die Julia neben einem Schreibprogramm regelmäßig nutzte, waren nun wesentlich einfacher zu bedienen, zumindest erschien es ihr so, und wenn sie ehrlich war, machte ihr das Surfen im Internet, bequem auf dem Sofa liegend und etwas zu trinken in Griffweite, manchmal auch Spaß. Lediglich aufs Chatten, was ihre Freundin Susanne nur allzu gerne ab und an mit ihr gemacht hätte, oder auf Skype mochte sie sich noch nicht einlassen.
Hitzeschübe, Herzrasen, kalter Schweiß oder generelles übermäßiges Transpirieren ohne erkennbaren Grund, so hatte Julia herausgefunden, waren allesamt typische Symptome für einsetzende körperchemische Veränderungen. Sie konnten einzeln oder kombiniert auftreten, manchmal tagelang gar nicht und dann scheinbar dauerhaft, aber auf die eine oder andere Weise traf es jeden. Nein, jede. Wieder einmal, so hatte sie zerknirscht gedacht, trägt das weibliche Geschlecht eine Bürde, und das männliche muss Verständnis aufbringen. Ausgerechnet das, wozu den Männern üblicherweise die Ausdauer fehlt, dachte sie ein wenig zynisch. Doch sogleich kam ihr Claus in den Sinn, der die Ruhe und Güte in Person zu sein schien, und sie nahm ihn in Schutz. Du kannst heilfroh sein, hatte sie sich gesagt, als sie den Computer abschaltete. Daraufhin hatte sie das Telefon zur Hand genommen und seine Nummer gewählt, denn sie hatte sich nach seiner Nähe gesehnt und zumindest dem Klang seiner Stimme lauschen wollen.
Das Scharnier der Toilettentür knarrte, als Julia sie mit dem Ellbogen aufschob. Sie spähte durch den Türspalt und erblickte Brandts Lederjacke. Als sie sich räusperte, wandte er sich um, in der Rechten hielt er einen Kaffeebecher aus dem Automaten, das Gesicht war frisch rasiert.
»Ah, da verstecken Sie sich«, grinste er.
»Wieso verstecken? Sehe ich so schrecklich aus?«
»Noch schlimmer als sonst.«
»Na danke. Wollen wir gleich los?«
»Wegen mir gerne. Wie lange brauchen wir bis Wiesbaden?«
»Wir können es in einer halben Stunde schaffen, denke ich«, antwortete die Kommissarin. »Es ist ja nicht direkt in der Stadt. Erbenheim, ein Stadtteil von Wiesbaden.«
»Hm. Kenne ich aus den Nachrichten«, murmelte Brandt. »Da ist doch die große Air Base.«
»Genau. Aber welche Nachrichten meinen Sie?«, erkundigte sich Durant.
»Die Bevölkerung hat wohl auf einen Abzug der amerikanischen Truppen gehofft, stattdessen wird der Flugplatz ständig erweitert. Lesen Sie denn keine Zeitung?«, fragte Brandt ein wenig irritiert. »Wiesbaden ist jetzt das europäische Hauptquartier der US Army, vor ein paar Wochen wurde das überall breitgetreten.«
»Natürlich lese ich Zeitung«, entgegnete Julia unterkühlt. »Aber ich habe derzeit andere Dinge, die mich beschäftigen. Der Besuch bei Ruben Boeckler beispielsweise.«
»War ja nicht als Vorwurf gemeint«, sagte Brandt. »Doch während der Europameisterschaft und dem Sommerloch musste man sich die interessanten Artikel der Presse manchmal mit der Lupe suchen. Sonst hätte ich es wohl auch überlesen. Mir reicht schon unser eigener Flughafen. Drei Bundesländer nutzen ihn als Sprungbrett, aber wenn es ums Landen geht, donnert jede zweite Maschine über Offenbach. Okay, Themawechsel«, er winkte missmutig ab und deutete in Richtung Fahrstuhl. »Ruben Boeckler. Ich bin bereit.«
Julia Durant öffnete die Beifahrertür ihres Peugeots, klappte den Sitz nach vorn und verstaute ihren Mantel auf der Rückbank. Nach einem prüfenden Blick, ob Brandt sie beobachtete, was er nicht tat, wischte sie mit der Handfläche einige Krümel von dem Bezug in Richtung Fußmatte und ging hinüber zur Fahrerseite. Für den Frühjahrsputz des Innenraums, den Julia monatelang vor sich hergeschoben hatte, war es längst zu spät. Sechs, maximal acht Wochen noch, auch wenn das Wetter momentan überhaupt nicht danach aussah, dann wurde es bereits wieder Zeit, um an die Winterreifen zu denken. Vielleicht sollte ich den Kleinen einfach mal zu einer Pflegefirma geben, dachte die Kommissarin, denn diese gab es in Frankfurt wie Sand am Meer. Neununddreißig Euro für eine Innenraumpflege waren auch wirklich nicht zu viel Geld, weitaus angemessener jedenfalls, als sich tagtäglich darüber zu ärgern.
Das Handy klingelte just in dem Moment, als sie den Wagen startete. Sabine Kaufmann.
»Julia«, kam es erregt aus dem Lautsprecher. »Gut, dass ich dich gleich erreiche.«
»Ich bin gerade am Losfahren«, erwiderte die Kommissarin mit ungutem
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