Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Ordnung. Ich mache Ihnen auf. Sind Sie alleine?«
»Nein, ich habe einen Kollegen dabei.«
»Okay. Ich öffne Ihnen.«
Sekunden später ertönte das Schnarren des Summers, und Hellmer drückte die Tür nach innen. Der Flur roch muffig, irgendwo briet jemand Fleisch an, und es herrschte eine bedrückende Stille. Die beiden Kommissare stiegen die Treppe nach oben, bis sie die dritte und letzte Etage erreichten. Zu jeder Seite befand sich eine Wohnung, die linke Eingangstür war einen Spalt weit geöffnet. Hinter der Kette bewegte sich etwas, dann öffnete sich die Tür ganz, und in dem dahinterliegenden Flur stand eine blasse Frau von zierlicher Statur. Ihre nackenlangen, glatten Haare waren schwarz gefärbt, doch an ihrem Scheitel erkannte Julia sehr deutlich einen dunkelblonden Ansatz, der bereits einige Millimeter nachgewachsen war.
»Frau Kühne? Das ist mein Kollege Frank Hellmer, guten Tag«, begrüßte Julia die Frau, die sie auf Anfang dreißig schätzte. Ihr Teint war blass, sie trug keine Schminke, und der schmale Mund war freudlos verschlossen. Als Kontrast hierzu wirkten die großen grünen Augen tiefgründig und geheimnisvoll.
»Ja, ich bin Marion Kühne. Was wollen Sie von mir?«
»Dürfen wir hineinkommen?«
»Natürlich, bitte.« Marion Kühne wies mit der Handfläche in Richtung des am Ende des Flures liegenden Zimmers. Die Wohnung war schlicht eingerichtet, günstige Sperrholzmöbel, keine Markenkleidung an der Garderobe, ein abgewetzter Teppich, auf dem Julia aber zwei Paar teure Schuhe erkannte. Billig und funktional eingerichtet war auch die Küche, in die sie im Vorbeigehen einen Blick warf. Es roch nach Waffeln oder Pfannkuchen, die Küchenmöbel waren bunt zusammengewürfelt, auf dem Tisch standen Wasser und Cola in Plastikflaschen. Das Wohnzimmer dagegen war ein relativ heller, modern eingerichteter Raum mit großer Schrankwand, in der eine Menge Bücher und DVDs standen. Auch Fotos in silbern schillernden Bilderrahmen unterschiedlicher Größe waren dort plaziert, und während Julia sich zu Frau Kühne auf die Couch setzte, durchschritt Hellmer den Raum und betrachtete die Aufnahmen.
»Frau Kühne«, begann Julia Durant nun zielstrebig das Gespräch, »wir kommen wegen Ihres Bruders zu Ihnen.«
»Wegen Martin? Was ist mit ihm? Hat er wieder Ärger?« Ihre Stimme zitterte, und ihre Finger spielten nervös miteinander.
»Das wissen wir noch nicht. Wir haben heute Vormittag ein, hm, verunglücktes Motorrad identifiziert, welches auf Ihren Namen eingetragen war.«
»Ja?«, kam es gedehnt und in fragendem Ton zurück.
»Fahren Sie die Maschine nicht selbst?«, erklang Hellmers Stimme aus dem Hintergrund.
»Äh, nein. Ich habe zwar einen Führerschein, aber ich fahre nicht damit. Die ist mir zu groß und zu schwer.«
»Wer fährt sie denn?«, übernahm wieder Julia, während Hellmer sich auf den Sessel neben sie setzte.
»Na ja, mein Bruder eben. Er wollte damals, dass die Maschine über mich läuft, das ist aber momentan wohl eher nebensächlich. Was ist denn nun mit Martin?«
»Frau Kühne, auf dem Motorrad saß ein Mann, den wir bislang nicht identifizieren konnten.«
»Was, ein Mann? Etwa Martin? Oh Gott …« Marions Brust begann zu beben, und sie hielt sich die Hand vor den aufgerissenen Mund.
»Ob es Ihr Bruder ist, wissen wir nicht«, betonte Julia, »aber vielleicht können Sie uns dabei helfen?«
»Ja, äh, nein, ich weiß gar nicht, wie«, stammelte die Frau und schnappte nach Luft. In ihren Augenwinkeln sammelten sich Tränen, suchend wanderte ihr Blick umher, doch er schien nicht zu finden, wonach sie Ausschau hielt.
»W… was ist denn überhaupt passiert?«
Julia warf einen Blick in Franks Richtung, dieser nickte nur knapp, und sofort wandte sie sich wieder der Frau zu.
»Es gab ein Feuer, der Fahrer ist auf dem Motorrad verbrannt. Fühlen Sie sich dazu in der Lage, eine Aufnahme des Helms und der Kleidung anzusehen, um uns zu sagen, ob es sich eventuell um die Kleidung Ihres Bruders handelt?«
Marion Kühne nickte stumm. Offensichtlich nahm sie all ihre Kraft zusammen, um vor den Kommissaren nicht in Tränen auszubrechen, sie schluckte schwer und hauchte: »In Ordnung.«
»Wir haben Helm und Lederjacke sichergestellt. Hier.« Die Kommissarin legte zwei Farbausdrucke auf den niedrigen Holztisch, auf dessen glänzender Oberfläche sich neben einer Pappschachtel mit Kleenex-Tüchern nur ein einzelnes Longdrinkglas mit goldbraunem Bodensatz befand. Helm und Jacke
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