Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
denn irgendwie muss sein Tagesablauf ja rekonstruiert werden. Ich werde auch die Schwester hierzu noch einmal befragen, wenn sie sich darauf einlässt. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie mehr weiß, als sie vorgibt. Außerdem muss sich jemand um das Kennzeichen kümmern: Wer waren die Besitzer, war es überhaupt schon einmal registriert, solche Dinge eben. Und ich würde gerne noch ein wenig über diesen Zeugen am Tatort erfahren, Albert Manstein, vielleicht wäre das ja etwas für dich, Frank? Mich würde deine Meinung zu ihm interessieren, so lange halte ich meine eigene und die von Brandt mal zurück.«
»Okay.« Hellmer nickte.
»Doris, an dich hätte ich die Bitte, einmal gezielt nach dem Vergewaltigungsfall Kühne zu schauen«, schloss Julia ihre Anweisungen. »Da müsste ja noch mehr zu finden sein als diese knappe Aktennotiz. Sollte sich etwas ergeben, melde dich bitte sofort bei mir, damit ich weiß, woran ich bei dieser Frau bin.«
Sie beendeten die Besprechung und verließen nacheinander den Raum.
Montag, 8:45 Uhr
P eter Brandt hatte auf dem Weg ins Präsidium seinen üblichen Zwischenstopp beim Kiosk eingelegt. Mit einem müden Lächeln nickte er dem Inhaber zu, einem alten, gebückt stehenden Mann, der sich, wenn überhaupt, nur einmal die Woche rasierte und außerdem einen dichten grauen Schnauzbart trug. Die langen, leicht welligen und ebenfalls grauen Haare hatte er mit einem Haargummi zusammengezurrt. Georg, den alle Stammgäste nur Schorschi nannten, war eine Institution. Brandt konnte sich darauf verlassen, dass es für ihn immer ein druckfrisches Exemplar der Bild und der Offenbach Post gab, wobei das nicht schwer war, denn von Schorschis Kunden interessierten sich die wenigsten für Politik und Zeitgeschehen. Auch heute – die frühen Sonnenstrahlen erreichten den freien Platz vis-à-vis des Kiosks erst seit wenigen Minuten – waren die Bänke und der einzelne, fleckige Stehtisch bereits von traurigen Gestalten bevölkert, meist Männer mittleren Alters, aber auch einige, die deutlich jünger waren als Brandt. Für sie hielt das Leben nicht mehr viel Positives bereit; der Suff am frühen Morgen half ihnen, ihre Trostlosigkeit abzuschalten, und irgendwann verschwanden sie sang- und klanglos von der Bildfläche. Doch es waren nicht nur Leute, die der Volksmund gemeinhin als asozial bezeichnete, wie Brandt wusste. Vor vielen Jahren hatte es einen seiner Kollegen erwischt, jung, eine hervorragende Karriere noch vor sich, aber dennoch war sein Leben dem Untergang geweiht, seit der Alkohol die Macht über ihn erlangt hatte. Und es handelte sich dabei nicht um einen Einzelfall, auch das war kein Geheimnis. Die Schreibtische, in deren Schubladen tief vergrabene Wodka- oder Doppelkornflaschen lagerten, gab es überall und oft dort, wo man es auf den ersten Blick niemals vermutet hätte.
Doch Schluss damit, sagte Brandt sich und schüttelte den Kopf, als wolle er die trüben Gedanken durch Leugnen verjagen.
»Sonst noch was?«, erkundigte sich Schorschi. »Brezel, Brötchen, Schokoriegel?«
»Nein, nur die Zeitungen, danke«, verneinte Brandt und zählte den Betrag, den er längst auswendig kannte und oftmals abgezählt im Auto bereithielt, auf den Tresen.
»Ist mir nicht entgangen, dass du heute aus der anderen Richtung gekommen bist«, grinste Schorschi. »Dein Leben möcht ich haben«, fuhr er fort und seufzte lauthals. »Gleich drei Haushalte, in denen nur jemand darauf wartet, dir ein Frühstück zu servieren.«
»Sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst«, lachte Peter. »Die eine steht erst zum Mittagessen auf, bei Muttern esse ich besser nicht so oft, es sei denn, ich möchte irgendwann so eine Wampe haben«, er hielt sich die Hand vierzig Zentimeter vor den herausgestreckten Bauch, eher ein Bäuchlein, denn Peter Brandt war nicht unbedingt in schlechter Form, »und über die Dritte, mein Lieber, da kannst du dich drehen und wenden, wie du willst, werde ich mit dir nicht reden.«
»Ja, ja, schon gut.«
Brandt verabschiedete sich, stieg in seinen Alfa Romeo und fuhr weiter in Richtung Präsidium, wo er um zwei Minuten vor halb neun auf dem Parkplatz eintraf. Er klappte den Innenspiegel hinunter und betrachtete sein Gesicht. »Junge, du musst dich rasieren«, murmelte er leise, aber ansonsten war er zufrieden. In Elviras Badezimmer hatte er eine Zahnbürste und einige Pflegeprodukte plaziert, außerdem hingen dort stets ein, zwei Hemden und Wechselkleidung. Genau genommen
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