Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Schulter gelugt hatte und nun auf die betreffende Stelle das Blattes deutete. »Schau mal, sie war erst siebzehn, jetzt haben wir 2012.«
»Und?«, entgegnete Julia frostig. »Du meinst, die Zeit heilt alle Wunden? Sicherlich nicht.«
»Nein, entschuldige …«, wand Frank sich, dem ganz plötzlich äußerst unangenehm in seiner Haut wurde. »Aber sie wird doch Hilfe bekommen haben.« Es war ein verzweifelter Versuch, sich aus der Klemme zu befreien, aber Julia ließ nicht locker.
»Hilfe bekommt man nicht einfach so aufs Auge gedrückt«, widersprach sie kühl, »und falls doch, so ist sie von vornherein zum Scheitern verurteilt. Hilfe sucht man sich, und zwar dann, wenn man dazu bereit ist. Ob eine siebzehnjährige Marion damals dazu bereit war, kann ich diesem Wisch hier nicht entnehmen, aber ich werde sie fragen, da kannst du dich drauf verlassen.«
»Ich muss Frank recht geben, dass es schon etwas ungewöhnlich wäre, wenn dieser Vorfall alleine sie heute noch dermaßen labil machen würde«, warf Sabine ein. »Zugegeben, ein solches Trauma bleibt, das wissen alle, die mal bei der Sitte gearbeitet haben, nur zu gut. Die Kunst wird darin bestehen, herauszufiltern, welcher Anteil ihrem Bruder dabei zukommt.«
»Wieso ausgerechnet der Bruder?«, fragte Frank stirnrunzelnd.
»Laut Unterlagen war er der Erste, der sich damals um sie gekümmert hat«, erläuterte Julia und tippte mit dem Finger aufs Papier. »Das und die unzähligen Fotos von ihm in der Wohnung«, fuhr sie fort »legen den Verdacht nahe, dass die beiden ein sehr vertrautes Verhältnis zueinander hatten. Welche Bedeutung ich dem beimessen soll, weiß ich noch nicht, aber ich möchte sie unbedingt noch einmal gezielt befragen. Am liebsten mit dir, Sabine«, lächelte Julia matt.
Sabine Kaufmann zuckte leicht zusammen und richtete sich auf. »Okay. Kein Problem.«
»Nichts gegen dich, Frank«, wandte die Kommissarin sich dann zur Seite, »aber ich glaube, da braucht es ein Frauenhändchen.«
»Ist mir recht«, gab Hellmer gleichmütig zurück.
»Was hat Kollege Brandt denn nun eigentlich in der Wohnung dieses Bruders herausgefunden?«, leitete Berger zum nächsten Punkt über.
»Kaum etwas Hilfreiches«, antwortete die Kommissarin. »Er hat am Telefon nur gesagt, dass es eine typische Rockerbude sei, so wie man sich das wohl vorstelle. Um ehrlich zu sein, habe ich mir das noch nie vorstellen wollen oder müssen, aber es ist wohl eine recht schäbige Bude in einem dieser Reihenhochhäuser in Hainburg. Nicht, dass ich mich dort auskenne«, fügte sie rasch hinzu. »Wie gesagt, ich gebe nur Brandts Äußerungen wieder. Unordentlich, seit einer halben Ewigkeit nicht mehr durchgewischt, aber dafür ein teurer Flachbildschirm und jede Menge anderer Angeberkram. Im Nachttisch eine unregistrierte Pistole, außerdem fanden sich ein paar Messer und Einzelrationen diverser Betäubungsmittel. Hauptsächlich Gras und etwas Koks, aber schon allein das würde genügen, um Kohlberger, falls er wider Erwarten quicklebendig auftauchen sollte, erst mal einzubuchten. Hinweise auf gewaltsames Eindringen gab es keine, für einen Einbruchsdiebstahl fanden sich auch zu viele Wertgegenstände in der Wohnung, außerdem ein Bündel Geld. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kohlberger sich abgesetzt hat, erscheint auch eher gering, denn sein Reisepass war ebenfalls noch da. «
»Es sei denn, er hat seinen Ausstieg exakt so geplant«, warf Kullmer ein, und alle im Raum wussten, worauf er anspielte. Der letzte Fall mit irreführender DNA und einem vorgetäuschten Tod lag erst anderthalb Jahre zurück und hatte ziemliche Wellen geschlagen, da es sich um eine recht prominente Persönlichkeit aus dem Finanzsektor gehandelt hatte.
»So etwas ist zum Glück nicht die Regel«, gab Sabine zu bedenken, und Julia stimmte ihr mit einem Nicken zu. Sie glaubte nicht daran, dass Kohlberger noch lebte, auch wenn sie die Möglichkeit natürlich noch nicht gänzlich ausschließen durfte.
»Wie verfahren wir nun weiter?«, fragte Doris Seidel und nahm damit Berger die Worte aus dem Mund. »Ihr fahrt zu dieser Schwester, und dann?«
»Ich werde mich später mit Brandt treffen und hoffe, dass wir bis dahin Gewissheit über die Identität des Toten haben«, seufzte Julia. »Zudem müssen wir unsere Ergebnisse mit den Offenbacher Ermittlern abgleichen, vielleicht gibt es dort ja ein Mitgliederverzeichnis dieses komischen Clubs. Wir benötigen Aussagen von Personen, mit denen Kohlberger verkehrte,
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