Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
hatte Georg nicht unrecht, dachte Brandt, als er ausstieg und das Auto abschloss. Er hatte es nicht schlecht getroffen, sogar besser als die meisten, vermutete er. Seine Eltern lebten in der Nähe und waren zwar alt, aber noch relativ rüstig. Sarah und Michelle begannen, ihr eigenes Leben zu leben, schlossen ihn aber nicht davon aus. Und die Beziehung zu Elvira Klein lief blendend, vor allem deshalb, so Brandts Theorie, weil beide auf derselben Seite des Gesetzes arbeiteten und sich mit ihren ungünstigen Arbeitszeiten eben arrangieren mussten. Dennoch, obgleich es weder während des Abendessens noch später am Abend neuerlich zum Thema geworden war, beschäftigte den Kommissar ein Gedanke, der ihm, einmal gedacht, nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte: Warum um alles in der Welt hatte Elvira vom Heiraten gesprochen? Es war zwar nur ein flapsiger Kommentar gewesen, aber trotzdem …
»Hey, Peter!«, unterbrach Spitzers Ruf sein Grübeln, und er blickte auf.
»Morgen, Bernie«, erwiderte er, als dieser mit schnellen Schritten zu ihm aufgeschlossen hatte.
»Na, sinnierst du schon vor deinem ersten Kaffee über deinen Toten?«
»Ob es mein Toter bleibt, werden wir ja sehen«, meinte Brandt missmutig, denn plötzlich überkam ihn ein ungutes Gefühl. Ein ungeklärter Mord, eine unklare Zuständigkeit der Präsidien, dazu das Bandenmilieu – das alles erschien ihm mit einem Mal wie ein Golem, der ihm größtes Unbehagen bereitete. Brandt versuchte, den Gedanken zu verjagen, grinste und ergänzte mit einem ironischen Unterton: »Aber sehr rührend, dass sich jeder um mich sorgt. Ich hatte im Übrigen schon einen Kaffee, genau genommen sogar zwei. Doch wenn ich es mir recht überlege, sollte ich mir bald einen dritten gönnen, denn ich habe die Befürchtung, dass wir einen langen Tag vor uns haben.«
»Zu Recht«, bestätigte Spitzer.
Kurz darauf betraten die beiden ihre Büros. Stirnrunzelnd registrierte Brandt, dass sein Telefon drei Anrufe auf dem Zähler verzeichnete, jedoch keine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen war. Zwei Nummern waren intern, die dritte offensichtlich unterdrückt gewesen. Der Kommissar rief seine E-Mails ab und klingelte die beiden Abteilungen an, um zu erfahren, was man von ihm gewollt hatte. Doch sämtliche Informationen und Anfragen bezogen sich auf andere Ermittlungen. Flugs kehrte die schlechte Laune zurück, und er erhob sich mit missmutiger Miene, um einen Kaffee holen zu gehen.
»Kommst du mal rüber?«, vernahm Brandt auf dem Rückweg die Stimme seines Vorgesetzten, und er trottete langsam in dessen Büro, vorsichtig darauf bedacht, die übervolle Tasse nicht überschwappen zu lassen.
»Klar, was liegt an?« Er nahm Platz und schlürfte mit spitzen Lippen von der heißen Flüssigkeit.
»Wir haben eine Liste von Mitgliedern dieses Clubs. Jetzt ist mir auch endlich klargeworden, was es mit diesem Namen auf sich hat.«
»Outlaws?«
»Mogin Outlaws«, betonte Spitzer. »Mogin ist ein altes Wort für den Main, das hatte ich nicht auf dem Schirm. Es ist keltischen Ursprungs, die Römer nannten ihn ja Moenus.«
»Den römischen Namen hab ich schon gehört«, nickte Brandt. Als gebürtiger Offenbacher und Lokalpatriot betrachtete er einige Dinge als Grundwissen, die manch Zugezogener nur müde belächeln würde. »Um ehrlich zu sein, hätte ich bei einem Club, dem es ums Motorradfahren oder um irgendwelche Saufgelage geht, allerdings nicht so viel Wissen vorausgesetzt.«
»Na ja, man muss sich schon abgrenzen«, gab Spitzer zu bedenken. »Gesetzlose und Banditen, Söldner und Krieger, das sind doch beliebte Images, mit denen man vor allem bei jungen Leuten Eindruck schinden kann. Den Traum von Freiheit kennen doch alle Jungs, oder ist dir das etwa entfallen, nur weil du zwei Töchter hast?«
»Für mich war der Inbegriff von Freiheit Huckleberry Finn«, sagte Peter Brandt, »und später gab’s dann Marlboro und irgendwann den Führerschein. Aber was tut das überhaupt zur Sache?«
»Dir werden die Ohren schlackern, wenn du einen Blick in das Mitgliederverzeichnis wirfst«, antwortete Spitzer und hob ein Blatt Papier an, auf dem eine Liste mit Namen stand. »Viele von denen sind zwar nur kleine Fische, aber ausnahmslos jeder ist bei uns aktenkundig. Das Geringste dabei ist Drogenkriminalität, die zahlreichen Verkehrsdelikte klammere ich gleich von vornherein aus, denn es kommt noch viel dicker. Prostitution, Körperverletzung, Schutzgeld«, er pfiff durch die Zähne,
Weitere Kostenlose Bücher