Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Danach verschwinden wir.«
»Frau Durant, bin ich jetzt plötzlich eine Verdächtige?«, empörte Marion Kühne sich, und ihre Gesichtszüge verhärteten sich wieder.
»Unsere Standardfrage«, klinkte sich Sabine vermittelnd ein, »das kennen Sie doch bestimmt aus dem Fernsehen. Diese Frage werden wir in den folgenden Tagen jedem stellen, der in irgendeiner Weise mit dem Fall zu tun hat.«
»Ist ja schon gut«, murmelte Frau Kühne. »Ich bin die ganze Zeit über hier gewesen. Bezeugen kann das aber keiner, das ist im Fernsehen doch immer die nächste Frage, stimmt’s? Da brauchen Sie auch nicht bei den Nachbarn zu klingeln. Hier achtet keiner auf den anderen, jeder macht sein Ding, verstehen Sie? Und nun muss ich Sie wirklich dringend bitten zu gehen«, ergänzte sie überraschend bestimmt. »Ich habe gerade meinen Bruder verloren, lassen Sie mir ein wenig Raum zum Trauern und zum Durchatmen.«
»Nun gut«, lächelte Sabine warmherzig und warf Julia einen fragenden Blick zu. »Was meinst du, vertagen wir uns?«
»Ja, aber wir werden in Kürze noch einmal auf Sie zukommen müssen.«
»Meinetwegen«, nickte Marion.
»Darf ich noch fragen, welchem Beruf Sie nachgehen?«
»Erzieherin, eigentlich Sozialpädagogin. Aber ich bin ja krankgeschrieben, das sagte ich doch, also finden Sie mich hier. Wenigstens bis Ende der Woche, danach mal sehen. Aber darüber möchte ich mich jetzt nicht unterhalten.«
»Haben Sie jemanden, an den Sie sich wenden können?«, fragte die Kommissarin im Hinausgehen. »Oftmals tut es gut, mit jemandem über alles reden zu können. Falls nicht …«
»Ich rufe eine Freundin an, bevor mir die Decke auf den Kopf fällt, danke«, wehrte Frau Kühne schnell ab, bevor Julia die Visitenkarte von Alina Cornelius, einer befreundeten Therapeutin, aus ihrer Tasche ziehen konnte. Damit war das Gespräch beendet.
Montag, 11:57 Uhr
D ieter Greulich saß abseits der voll besetzten Tische der Kantine. Peter Brandt reckte den Hals, bevor er ihn endlich entdeckte, und beschloss, sich nicht in die Schlange vor der Essensausgabe einzureihen. Greulich hatte zwar ein Tablett vor sich stehen, aber der Kommissar verspürte nicht die geringste Lust, mit seinem ehemaligen Kollegen zu Mittag zu essen. Im Gegenteil, dachte Brandt, als er sich einen schwarzen Kaffee und ein Nuts holte. Abgesehen davon, dass Greulichs unangenehme Ausstrahlung ihm ohnehin den Appetit verdorben hätte, würde ein Essen sie viel zu lange aneinanderbinden. Brandt suchte nach dem passenden Kleingeld. Er wollte den Informationsaustausch so kurz wie möglich abhandeln und war den Dialog innerlich bereits mit all seinen Möglichkeiten durchgegangen. Entweder, und das hoffte er inständig, das Rauschgiftdezernat würde der Mordkommission alle Infos überlassen und sich den haufenweise anderen Fällen widmen, oder, und das war Brandts größte Sorge, Greulich würde die Angelegenheit nutzen, um ihre offene Rechnung zu begleichen. Es war ein offenes Geheimnis, dass Bernie die rasche Versetzung damals in erster Linie aus Gefälligkeit gegenüber Peter durchgesetzt hatte. Zumindest konnte man das so sehen, wenn man wollte, andererseits hatte das Rauschgiftdezernat dringend einen weiteren Mann gebraucht.
»Na, wenn das mal kein Zufall ist«, grinste Dieter Greulich ihn an, als er sich, noch immer grübelnd, dessen Tisch näherte. »Dass es ausgerechnet uns beide noch mal an dieselbe Front verschlägt.«
»Ja, damit hätt ich nicht gerechnet.« Peter rang sich ein flüchtiges Lächeln ab. Er stellte seinen Becher auf den Tisch, zog einen Stuhl nach hinten und nahm Greulich gegenüber Platz. Danach öffnete er bedächtig den Schokoriegel und mied den Blickkontakt, so lange es ging.
»Hören Sie zu …«, wollte Brandt gerade ansetzen, als Dieter Greulich ihm ins Wort fiel.
»Lassen wir die alten Geschichten mal beiseite, okay?«
Peter nickte überrascht. »Hm.«
»Das K 11 ist seit neun Jahren passé«, fuhr Greulich fort, »und ich habe mich nicht unbedingt verschlechtert seither. Hat uns beiden also nicht geschadet, damit ist das für mich Schnee von gestern. Es kann halt nicht jeder mit jedem, und ich sag’s mal so: Sie waren mir damals genauso unangenehm, wie ich es wohl Ihnen war. Alles geklärt?«
»War unmissverständlich.« Brandt nickte und musterte seinen ehemaligen Kollegen aus zusammengekniffenen Augen. Er war älter geworden, zweifelsohne, aber für einen Vierzigjährigen hätte Greulich es schlechter treffen können. Die
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