Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
weniger schönen Dinge. Daher betone ich noch einmal, dass uns die Vergangenheit Ihres Verlobten nicht deshalb interessiert, um ihm möglichst viele Vergehen zuzuschreiben, sondern um seine Persönlichkeit zu verstehen. Denn wenn Sie mich fragen, auch wenn das natürlich nur eine Momentaufnahme ist, dann starb Herr Grabowski nicht wegen seines – ich formuliere das jetzt einmal so – kriminellen Hintergrunds, sondern aus sehr persönlichen Gründen.«
»Wie meinen Sie das?«, hauchte Rosi Mitrov.
»Zwei Schüsse in die Brust aus einer Entfernung von maximal zwei Metern«, antwortete Brandt. »Das lässt darauf schließen, dass er seinen Mörder gekannt hat und ihm wahrscheinlich sogar mit einem gewissen Vertrauen gegenübergetreten ist.«
»Finden Sie das Schwein!«, wimmerte Rosi, den Kopf zwischen den Händen vergraben, deren Fingernägel zweifellos erst vor kurzem von einer der Angestellten neu in Form gebracht worden waren. »Finden Sie dieses gottverdammte Schwein, das mir meinen Hanno genommen hat.«
Einige Minuten später verließen die Kommissare das Studio. Trotz dichtem Verkehr war die klare Luft frisch, und Brandt sog einige Atemzüge durch die Nase.
»Ganz schöner Mief, wie?«, fragte Julia Durant, die dasselbe tat und für einen kurzen Moment die Augen geschlossen hatte.
»Allerdings. Ich dachte, für solche Läden gilt das allgemeine Rauchverbot ebenfalls.«
»Grauzonen gibt’s genügend«, murmelte die Kommissarin, »aber ich habe in Tattoo-Läden immer den Geruch von verbranntem Fleisch in der Nase. Sie nicht auch?«
»Na ja, manche bieten ja auch diese Brandings an. Das stinkt erbärmlich, und man bekommt den Duft nur sehr schwer wieder raus. Aber ich denke, wir haben den Geruch nach Abgasen und verbrannter Haut von vorletzter Nacht noch viel zu frisch in Erinnerung. Die Nase merkt sich solche Dinge. Bei mir ist es so, dass ich bei extrem kalter Luft und wenn Schnee liegt, ganz oft den Geruch von Sonnencreme in der Nase habe. Eine Erinnerung ans Skifahren, zudem schon dreißig Jahre alt, aber da sieht man mal, was für eine tolle Nase ich habe«, lachte er.
»Was sagt Ihnen Ihre Nase denn über unsere werte Dame da drinnen?«
»Sie spielt ihre Opferrolle recht gut«, meinte Brandt nachdenklich, »aber ich glaube ihr zumindest, dass Grabowski für sie von großer Bedeutung war. Sie glorifiziert ihren Retter, das ist bei ihrer Vergangenheit legitim. Alle anderen Verfehlungen blendet sie aus, leugnet diese aber auch nicht. Das macht es schwer, sie zu knacken. Ich würde die Vergangenheit gerne einmal durchleuchten, also die Jahre, bevor aus der hilflosen Ruslana die selbstbewusste Rosi wurde.«
»Sehe ich auch so«, stimmte Julia zu. »Ich kann Doris oder Sabine darauf ansetzen, es sei denn, Sie haben jemanden.«
»Nur zu. Apropos Sabine. Was ist mit ihr? Sie war doch heute Mittag plötzlich verschwunden, wenn ich das richtig mitbekommen habe?«
»Nichts gegen Sie«, wehrte Julia ab, »aber das ist eine komplizierte Geschichte und sehr privat, wie ich finde. Ich möchte Sabines Vertrauen nicht missbrauchen, okay? Fragen Sie sie bei Gelegenheit selbst mal, sie ist bei weitem nicht mehr so verschlossen, wie sie es in ihrer Anfangszeit war.«
»Verstehe. Ist auch nicht so wichtig. Aber von Doris Seidel können Sie was rüberwachsen lassen, ja?«
»Allerdings«, nickte Julia. Der Anruf vorhin war von Doris gewesen, und sie hatte mit einer höchst interessanten Neuigkeit aufgewartet. »Wir haben doch im Präsidium über den alten Vergewaltigungsfall von Kohlbergers Schwester gesprochen.«
»Ja.«
»Der behandelnde Arzt, dessen Bericht eindeutig belegt, dass es sich damals um einen brutalen sexuellen Akt gehandelt haben muss, ist noch immer in Frankfurt tätig, mittlerweile aber mit eigener Praxis, drüben, in Sachsenhausen.«
»Jaa«, drängte Brandt, »jetzt machen Sie’s nicht so spannend!«
»Nun, sein Name, und jetzt kommt’s«, grinste die Kommissarin triumphierend, »ist Alexander Kühne.«
Brandt schluckte.
»Kühne?«, wiederholte er ungläubig. »So wie Marion Kühne?«
»Korrekt. Und bevor Sie mir damit kommen, dass es in Frankfurt und Umgebung sicherlich drei Dutzend Kühnes gibt: Er ist Marions Exmann. Dasselbe hat sich Doris nämlich auch gefragt und daraufhin die Personalien entsprechend überprüft.«
»Wow«, erwiderte Brandt nur. »Das sollten wir ihr dann wohl doch mal aufs Brot schmieren, oder?«
»Würde ich nur zu gerne«, sagte Julia kopfschüttelnd,
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