Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
»aber ich möchte nicht schon wieder bei ihr auf der Matte stehen. Ich könnte mir in den Arsch beißen, dass ich sie nicht längst auf die alte Geschichte angesprochen habe, aber wir haben diese Gelegenheit heute Morgen einfach versäumt. Wenn Sie sie kennenlernen, werden Sie verstehen, warum. Eine seelisch total zerbrechliche Persönlichkeit. Da braucht es eine Menge Fingerspitzengefühl.«
Brandt warf einen Blick auf seine Armbanduhr, danach prüfte er das Display seines Handys, doch es waren keine Anrufe oder Nachrichten eingegangen.
»Gut, dann könnten wir doch rein theoretisch mal bei diesem Arzt, dem die Frauen vertrauen, auflaufen, oder?«, fragte er mit gehobenen Augenbrauen. »Ich versuche zwar, meine Kontakte mit Ihrem Moloch hier weitestgehend gering zu halten, aber soweit ich mich erinnere, liegt Sachsenhausen ja auf der guten Seite des Mains. Dürfte also nur ein Katzensprung sein, richtig?«
»Fünf Minuten Fahrt, schätze ich«, antwortete Julia, ohne auf die spitzzüngigen Bemerkungen einzugehen.
»Na dann.«
Montag, 15:09 Uhr
N achdenklich lehnte Al in seinem grün gepolsterten Ohrensessel. Er hielt eine alte, mit Goldrand verzierte Kaffeetasse in der Hand und spielte mit einem der beiden Zuckerwürfel, bevor er sie nacheinander in der tiefschwarzen Flüssigkeit versenkte, in deren Mitte ein goldbrauner Fleck verriet, dass sich unter der Oberfläche einige Milliliter Kaffeesahne verbargen. Klappernd, mit einem silbernen Löffel, dessen Ende mit einem Rosenornament verziert war, in dessen Struktur sich schwarzer Beschlag gebildet hatte, vermischte er die Flüssigkeiten und den zerfallenen Zucker.
Er hatte seine Harley, nachdem er den Club verlassen hatte, in die Garage gefahren, die zu seiner Mietwohnung am Rande Offenbachs gehörte. Das klobige Gebäude, in dem Dutzende Mieter lebten, ohne einander zu kennen, war heruntergekommen, aber im Inneren einigermaßen behaglich. Nur die Heizung bereitete ihm derzeit allerhand Ärger, die Thermostate funktionierten nur zur Hälfte, und ständig ließ der Wasserdruck nach. So auch heute, ausgerechnet, denn bevor er sich umzog, hatte Al eine ausgiebige Dusche genommen. Beim Abwaschen der Seife schließlich war das Wasser eisig kalt geworden, was einen aufweckenden Effekt gehabt hatte, aber mittlerweile hatte er seine Sinne auch ohne fremde Hilfe wieder beisammengehabt. Fluchend hatte er den Duschvorhang beiseitegerissen und war hinausgesprungen, rubbelte sich mit einem kratzigen Handtuch trocken und ging danach hinüber in Richtung Kleiderschrank. Für die Wohnung eines Mannes, den andere als alleinstehenden Motorradrocker wahrnahmen, herrschte weitaus geringeres Chaos als erwartet, allerdings waren die Einrichtung und die persönlichen Gegenstände spartanisch und funktional. Außer Stapeln von Motorradzeitschriften, die er abonniert hatte, und einem Playboy-Kalender gab es nicht viel. Gebrannte DVDs, meist Pornos, hier und da eine Stange Zigaretten und eine Menge Kleidung. An der Wand hingen drei Helme verschiedenen Typs, der eine offen mit Kinnbügel, zwei andere geschlossen in Silber und in Mattschwarz. Drei Paar Lederstiefel, Sommer- und Winterhandschuhe und natürlich, an einem Ehrenplatz an einem separat aufgehängten Bügel, die schwere Lederkutte mit dem Schriftzug der Mogin Outlaws. Die Zahl 1315 war blutrot daruntergestickt, auf den ersten Blick eine Jahreszahl, auf den zweiten Blick die beiden Buchstabenwerte für M und O. Eine simple Symbolzeichnung, die schwarz-weiß auf ein rundes Feld gestickt war, stellte den Main dar und ein keltisches Schwert.
Sich vergewissernd, dass ihm keine neugierigen Blicke folgten, hatte Al einige Zeit später das Haus verlassen und war auf einem schmalen Betonweg, der die Grundstücke angrenzender Wohnhäuser durchquerte, in eine schmale Seitenstraße eingebogen. Von dort wechselte er auf einen Fußweg. Die Motorradkleidung hatte er abgelegt und den Helm zu den anderen gehängt. Nun trug er graue Jeans, einen dünnen, dunkelblauen Wollpullover und darüber einen schwarzen Stoffmantel. Auf dem Kopf hatte er eine Wollmütze, denn auch heute Nacht versprach es wieder ausgesprochen kalt zu werden. Achtzig Meter lang begegnete ihm niemand, und es folgte ihm auch keiner. Spätestens jetzt hätte ein eventueller Verfolger sich unwillkürlich bemerkbar gemacht, wenn er sein Ziel nicht aus den Augen verlieren wollte. Lächelnd trat Al am anderen Ende des Weges zwischen den dicht gewachsenen Hecken und hohen
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