Teufelsbande: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
natürlichen Mund, dessen volle Lippen ein wenig geöffnet waren. Das Gesicht schien in seinem ursprünglichen Zustand zu sein; wenigstens etwas, dachte die Kommissarin.
»Frau Mitrov«, sagte sie langsam, doch diese winkte sofort ab.
»Rosi, bitte, einfach nur Rosi. Alle hier nennen mich so.«
»Hm, in Ordnung«, murmelte Julia. »Rosi?«
»Mit ›Ruslana‹ habe ich abgeschlossen. Reden wir doch einmal ganz offen, in Ordnung? Ich stamme aus Moldawien, habe dort einen guten Schulabschluss gemacht und sogar, wie heißt das hier, Lehramt studiert. Ich habe keinen Abschluss, das Geld hat nicht gereicht, aber selbst wenn …« Sie seufzte. »Wissen Sie, was Frauen aus Osteuropa blüht, die mit ihrem Abschluss nach Deutschland gehen, weil es zu Hause sowieso keine Stellen gibt? Wir gehen putzen oder anschaffen. Ruslana, pff«, spie sie verächtlich, »das ist in meiner Heimat ein schöner Name, aber hierzulande sieht jeder in dir nur eine Russenhure. Bitte, verzeihen Sie diesen Ausbruch, aber vielleicht verstehen Sie jetzt, warum ich mich einfach Rosi nennen lasse. Das war die nächstliegende Abkürzung, Hanno kam auf die Idee …« Sie schluckte schwer und rieb sich die Nase.
»Wir bedauern Ihren Verlust aufrichtig.«
Julia Durant sprach ihre Worte langsam und mitfühlend aus, denn sie wollte nicht, dass sie wie eine Floskel wirkten.
»Das bringt ihn mir leider nicht zurück.«
»Frau Mitrov«, setzte Julia erneut an, »Rosi«, korrigierte sie sich sogleich, »wir setzen alles daran, diesen Mord aufzuklären. Das verspreche ich Ihnen, und nur deshalb sind wir noch einmal hier.«
»Hm.« Rosi schniefte kurz, zog dann ihren Mund nach unten und spannte die Nase, während sie gleichzeitig die weit geöffneten Augen nach oben verdrehte, wohl in der Hoffnung, dass sie auf diese Weise die Tränen unterdrücken konnte. Es schien zu funktionieren, ihr Blick war zwar noch immer verklärt, aber sie weinte nicht. »Was möchten Sie wissen?«
»Auch wenn sich das eventuell mit den Fragen unserer Kollegen doppelt«, begann Julia, »aber hatte Herr Grabowski irgendwelche Feinde?«
»Kommt darauf an, wie Sie Feinde definieren. Ich werde nichts Schlechtes über Hanno sagen, nur dass Sie’s wissen!«
»Wie meinen Sie das?«
Rosi Mitrov zögerte kurz, antwortete dann aber: »Na, hier im Viertel ist Schutzgeld ein großes Thema. Mehr sage ich dazu nicht. Und außerdem gibt’s natürlich immer Konkurrenz. Wenn Sie das als Feinde betrachten …«
»Und was ist mit der Motorradszene?«
»Wie? Ach das. « Rosi winkte ab. »Dieser ganze Scheiß mit dem Club ist doch Schnee von gestern.«
»Da haben wir anderes gehört«, mischte Brandt sich ein.
»Wieso?« Rosi zog argwöhnisch ihre feinen, mit Kajal nachgezogenen Augenbrauen hoch.
Julia war sich nicht sicher, ob die Frage ehrlich oder aufgesetzt war. Die Körpersprache deutete darauf hin, dass ihr Gegenüber keine plötzliche Unsicherheit verspürte, Rosi hatte die Hände entspannt auf den Oberschenkeln liegen, trommelte nicht mit den Fingern und bewegte auch die Waden nicht nervös auf und ab.
»Wissen Sie von dem anderen Motorradfahrer, der ermordet wurde?«, fragte Brandt zurück und blieb ihr eine Antwort schuldig.
»Äh, nein«, kam es einen Tick zu spät für Julias Empfinden.
»Frau Mitrov«, sagte sie daher mahnend und schüttelte dabei langsam den Kopf.
»Was denn?« Rosi breitete schützend die Hände vor ihrer Brust aus, eine eindeutige Abwehrhaltung.
»Sie wissen davon, stimmt’s?«, sagte Julia und sprach rasch weiter: »Das können Sie uns gegenüber ruhig zugeben. Ich habe zuerst nur geraten, aber Sie haben ein wenig zu lange gezögert. Bleiben Sie ehrlich, dann neigen wir dazu, Ihnen auch alles andere zu glauben.«
»Aber ich belaste Hanno nicht«, bekräftigte Rosi trotzig.
»Das klingt für uns so, als hätte Ihr Hanno mit dem Tod Kohlbergers zu tun«, konterte Julia.
»Neiiin«, rief Rosi spitz.
»Selbst wenn, was soll’s ihm denn noch schaden?«, warf Brandt ein. »Wenn wir es aber sowieso herausfinden und Sie seine Mitwisserin wären, ist’s Pech für Sie.«
»Stopp, stopp, hören Sie auf!«
Rosi atmete schnell und fuchtelte hektisch mit der Linken. »Das war doch alles ganz anders.«
»Na, dann erzählen Sie es uns in aller Ruhe«, forderte Julia, wieder ganz ruhig und freundlich, aber bestimmt. »Was auch immer Ihr Verlobter damit zu tun hatte, er wird sich außer vor Gott vor niemandem rechtfertigen müssen.«
»Er hat ja nichts damit
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