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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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selbst was backen.«
    Du fette Sau, dachte Annika, kannst wirklich nur ans Fressen denken.
    »Und Sie, Frau Fechner?«, rief Ella. »Was möchten Sie zum Frühstück? Schrippen, Brot, Knäckebrot, Zwieback?«
    »Sie schläft noch«, flüsterte Sylvia.
    »Ich lege ihr eine Auswahl hin.«
    Leise schloss Ella die Tür. In Annikas Kopf hämmerte die Müdigkeit, und sie sank wieder weg.
    »Frühstück!«, rief Pfleger Carsten.
    Er parkte den Servierwagen vor der offenen Tür und fragte die beiden Patientinnen nach ihren Wünschen.
    »Frau Fechner? Sie müssen aufstehen.«
    Annika tappte zur Tür, ihr war schwindelig, aber sie hielt sich aufrecht und trat an den Servierwagen. Sylvia wählte Rührei, Leberwurst, Joghurt, Marmelade und Brie. Annika wollte nur Pflaumenmus.
    »Keine Butter?«, fragte Pfleger Carsten.
    »Nein.«
    »Kaffee?«
    »Ist doch eh ohne Koffein«, sagte Annika.
    »Früchtetee?«
    »Nein danke.«
    »Ich hätte gern Kaffee«, sagte Sylvia, »mit Milch bitte. Und einen Orangensaft. Und vielleicht noch einen Kakao.«
    Pfleger Carsten sammelte die Zutaten vom Wagen auf zwei Teller, er zuckte zurück, als er sie auf den Tisch stellte und dabei mit dem Handrücken Sylvias Arm streifte.
    »Ist doch egal, ob mit oder ohne Koffein«, sagte sie mit hoher, lieber Stimme, als sie Annika gegenüber am Tisch saß. »Hauptsache, es schmeckt nach Kaffee.«
    »Ist mir aber nicht egal«, platzte Annika heraus.
    Sylvia sah sie erschrocken an. »Ich wollte mich doch nur ein bißchen mit dir unterhalten. Wo wir doch auf einem Zimmer sind.«
    Annika sprang auf und verschwand im Bad, sie knallte die Tür zu. Im Spiegel sah sie ihre bebenden Lippen. Der Rest des Gesichtes war fremd. Die grün lackierten Edelstahlwände des Badezimmers wurden zum Wasser des Ratzeburger Sees. Annika versenkte sich in einer schweren, blauvioletten Glocke.
    »Töte dich«, flüsterte das Gesicht im Spiegel, »töte dich, bevor du stirbst!«
    Annika duschte erst kalt, dann heiß. Sie setzte sich auf den Boden der Duschwanne und sah zu, wie der Schorf in ihren alten Wunden aufquoll. Sie rieb ihn heraus und schaute in die Kerben. Manche reichten bis ins Fettgewebe, bis in die gelben Waben hinein.
    »Tut mir leid wegen vorhin«, sagte sie zu Sylvia, als sie zurück ins Zimmer kam.
    »Schon gut. Ist alles nicht so leicht, ja? Darf ich jetzt ins Bad?«
    »Ja, klar.«
    Annika war immer noch müde und legte sich wieder ins Bett. Sie schloss die Augen, ihre Lider brannten. Das Duschgeräusch aus dem Badezimmer lullte sie ein. Sie träumte von pinkfarbenen Gummipanthern, die mit neongrünen Spülschwämmen in den Händen auf dem Ratzeburger Marktplatz tanzten, und irgendjemand sang dazu. Dann wurden die Stimmen lauter, der Traum verblasste, und Annika erkannte vor sich das Kissen mit dem Emblem der Cardea, ein Schlüsselloch in einem Kranz. Im Nebenzimmer dröhnte der Fernseher. Lotti sah das Frühprogramm, die Wiederholung der Unterhaltungsshow »Das Bergwerk«; Annika erkannte die Titelmelodie.
    »Herzlich willkommen im Bergwerk!«, rief der Moderator. »Wir schalten gleich runter zu unseren verschütteten Stars und Sternchen, die wieder ins Licht der Öffentlichkeit wollen, ha ha ha! Wen wählt das Publikum heute raus? Und wer gibt von selbst auf? Denn heute heißt es wieder: Ich bin ein Promi, Glückauf, Glückauf!«
    Die Oberärztin kam um halb neun zur Visite ins Zimmer, Annika musste draußen warten, weil Sylvia zuerst dran war, und setzte sich auf einen Stuhl im Flur. Falko war auch schon da.
    »Guten Morgen«, sagte er mit zerkratzter Stimme. »Du siehst, ehrlich gesagt, schlecht aus. Geht es dir nicht gut heute?«
    Falko war sehr blass. Sie blickte in seine kleinen Augen. Die Brauen saßen niedrig, fast berührten sie die Wimpern. Er war schon angekleidet, er trug ein schwarzes Sakko, darunter ein schwarzes T-Shirt. Nach Annika war er der jüngste Patient, sie schätzte ihn auf Ende dreißig, über zehn Jahre älter als sie. Er roch gut, nach Zitrone und einem Holzsteg in der Sonne.
    »Glaubst du, dass man einen Kuckuck umerziehen kann?«, fragte sie.
    Er öffnete den Mund, sie sah seine schmalen Vorderzähne. »Wie bitte?«
    »Angenommen, man findet ein Kuckucksei«, sagte Annika, »und legt es in ein Nest mit Vögeln, die schon ausgebrütet und etwas kräftiger sind als ein junger Kuckuck, und wenn er schlüpft, kann er sie nicht mehr rauswerfen und ist gezwungen, mit ihnen aufzuwachsen. Wird dann aus ihm ein normaler Vogel? Also einer, der seine

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